Lange Staus an den Grenzen: Die Schweiz kauft im Ausland ein wie nie zuvor
- Redaktion soaktuell.ch

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Aktualisiert: vor 24 Stunden
Es war absehbar. Die geschäftsoffenen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr gelten als sehr umsatzstarke Tage im deutschen Grenzhandel. Doch, was heute (am 29. Dezember 2025) passierte, bricht alle Rekorde. Während dem ganzen Tag staute sich der Verkehr von der Parkhauseinfahrt des Rhein-Centers in Weil am Rhein (Bild) zurück, über den Grenzübergang in die Stadt Basel bis zur Autobahnausfahrt bei der Verzweigung "Wiese". Auch die Grenzübergänge Rheinfelden, Stein - Bad-Säckingen oder Laufenburg und Koblenz meldeten den ganzen Tag Wartezeiten von 15-30 Minuten. Die entsprechenden Verkehrsmeldungen hörte man im Radio. Doch die Einkaufstouristinnen und Einkaufstouristen hatten Zeit und Geduld. Die meisten haben Ferien. Am 30. Dezember rechnen die Verantwortlichen sogar mit einem weiteren Rekord.

Migros meldete ein gutes Weihnachtsgeschäft - was auch immer das heisst. Hoffentlich hatte sie das. Denn die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist traditionell eine der wichtigsten Phasen für den Einzelhandel. Viele Schweizerinnen und Schweizer haben Ferien oder Brückentage und nutzen die Zeit für größere Besorgungen, die während der hektischen Vorweihnachtszeit liegen geblieben sind.
Doch das, was wir von der Redaktion soaktuell.ch heute mit eigenen Augen gesehen haben, toppt alles. Da der 29. Dezember 2025 ein Montag ist, beginnt an diesem Tag das Hauptgeschäft für Silvester-Einkäufe. Lebensmittel, Spirituosen und Festtagsartikel werden in großen Mengen eingekauft. Die Regale in den Läden nördlich der Landesgrenze wurden in den letzten Tagen aufgefüllt, alle Kassen waren besetzt. Und der Ansturm der Schweizerinnen und Schweizer glich einer Invasion, wie die Redaktion von soaktuell.ch selber vor Ort beobachtet hat. Der Verkehr in der Stadt Basel in Grenznähe brach zusammen. Kein Durchkommen mehr - auch nicht für die Trams.
Feuerwerk für Silvester sehr gefragt.
Berge von Feuerwerksartikeln liegen in den Regalen bereit für Silvester. Raketen und Batterien kosten in Deutschland nur einen Drittel des Preises der Schweiz. Das scheint sich herumgesprochen zu haben. Aus der ganzen Schweiz reisen Menschen an, um sich mit Feuerwerk einzudecken. Die Vorschriften für die Einfuhr kennen die wenigsten. Aber gewisse Tricks schon. Wir fragten eine ältere Dame, warum sie so viel Feuerwerksartikel einkaufe. Sie sagte, ihre Enkel hätten sie mit einer Liste geschickt, weil die Jungen an der Grenze vor Silvester vermehrt kontrolliert würden.
Tatsächlich sind etwa fünf bis sechs Beamte des Zolls damit beschäftigt, in die Taschen der Passanten zu schauen. Die meisten Autos, die über die Grenze fahren, sind ohnehin voll mit Menschen. Denn seit 2025 gilt eine Wertfreigrenze von nur noch 150 Franken pro Person (vorher waren es 300 Franken). Seither explodiert der Einkaufstourismus, weil die Fahrzeuge mit mehr Leuten gefüllt sind. Kinder, Grosseltern, Onkel, Tanten, Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunde - alles wird mitgenommen, um die Wertfreigrenze zu multiplizieren. Und alle, die mitgenommen werden, kaufen natürlich auch gleich ein.
Man hat den Bundesrat seinerzeit davor gewarnt, diese Dummheit zu beschliessen. Er tat es trotzdem getan, weil Bundesrat und Parlament weit weg vom preissensitiven Volk politisieren. Jetzt folgt die logische Quittung der Einkaufstouristen.
Rückerstattung der Mehrwertsteuer abholen
Viele Schweizer Kundinnen und Kunden nutzen den 29. und 30. Dezember 2025 auch dazu, ihre gesammelten Ausfuhrscheine aus dem Weihnachtsgeschäft oder sogar vom ganzen Jahr, abstempeln zu lassen und sich die Mehrwertsteuer bar auszahlen zu lassen oder mit dem neuen Einkauf zu verrechnen. An diesen Tagen werden hunderte Millionen Franken im Ausland umgesetzt.
Freilich, das ist Geld, das den Schweizer KMU und dem Schweizer Detailhandel fehlt. Aber wer meint, die Kundschaft in die Schweizer Läden zwingen zu können, indem man mit politischen Mitteln der Konkurrenz das Leben schwer macht, anstatt die Kosten und Preise zu senken, ist selber schuld. KMU und Detailhandel in der Schweiz sollte politisch lieber dafür sorgen, dass all die Belastungen gesenkt werden, anstatt Einkaufstouristen madig zu machen oder "China-Päckli" verteuern zu wollen.
Einkaufstouristen sind keine Landesverräter
Wir haben Verständnis für die Schweizerinnen und Schweizer, die in immer grösserer Zahl versuchen, die ständig steigenden Ausgaben für Krankenkassen, Versicherungen, Strom, Autos und Autounterhalt, Restaurantbesuche, Skiabonnements sowie zahlreiche Gebühren und Abgaben der Kantone und Gemeinden in irgend einer Form zu kompensieren. Am besten geht das dort, wo es richtig einschenkt - nämlich bei Lebensmitteln, Toiletten- und Drogerieartikeln, Kleidern, Schuhen und Möbel. 50 Prozent Einsparungen sind Realität.
Lobbyisten der Schweizer KMU und des Detailhandels bezeichnen Leute, die im Ausland einkaufen gehen, hinter vorgehaltener Hand gerne als "Landesverräter". Es sind die gleichen, die Schweizer Kunden ohne mit der Wimper zu zucken mit 50 Prozent teureren Preisen oder mehr abzocken. Einkaufstouristen sind keine Landesverräter. Ihnen gehört vielmehr Respekt. Denn ohne sie wäre der Druck auf die Schweizer KMU und den Schweizer Detailhandel weg, die Kosten und damit die Preise zu senken.
2025 wird ein Rekordjahr für den Einkaufstourismus
Hier ist die Aufstellung der Beträge, die aus der Schweiz ins Ausland flossen (basierend auf Daten des Bundesamtes für Statistik und der Universität St. Gallen). Man muss die Beträge, die aus der Schweiz ins Ausland flossen, aufgeteilt nach stationärem Handel (Einkaufszentren, Läden usw.) sowie Online-Shops (Amazon, Temu, Shein, Zalando usw.) aufschlüsseln. Zusammen ergibt sich das jährliche Total des Einkaufstourismus.
2022, 7.4 Mrd. stationär und 3.9 Mrd. online (Total CHF 11.3 Mrd.)
2023, 8.1 Mrd. stationär und 5.2 Mrd. online (Total CHF 13.3 Mrd.)
2024, 8.7 Mrd. stationär und 5.7 Mrd. online (Total CHF 14.4 Mrd.)
2025, 9.3 Mrd. stationär und 6.1 Mrd. online (Total CHF 15.4 Mrd.)
Wenn der Bund also jubelt, die Senkung der Zollfreigrenze habe den Einkaufstourismus verlangsamt, ist das falsch. Denn die Online-Einkäufe aus dem Ausland nehmen ungebremst zu, aber der Kauf in stationären Läden eben auch. Das beweist, dass die Senkung der Zollfreigrenze den Einkaufstourismus in keiner Art und Weise gebremst, im Gegenteil, ihn auf einen neuen Rekord getrieben hat. Und wir würden sogar darauf wetten, dass 2026 wieder ein Rekordjahr für den Einkaufstourismus wird.
Und Einkaufstourismus ist auch kein Thema der Grenzkantone mehr. Die Studie hat festgestellt, dass 72 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer im Jahr 2025 im Ausland einkauften. Dafür fuhren sie im Durchschnitt 59 Kilometer weit. Interessanterweise zeigt die aktuelle HSG-Studie 2025, dass gerade im Aargau das "schlechte Gewissen" am geringsten ist. Da man "direkt nebendran" wohnt, empfindet man den deutschen Supermarkt fast schon als Teil der lokalen Infrastruktur. Im Kanton Solothurn wird der Gang über die Grenze hingegen stärker als bewusster "Spartrip" wahrgenommen. Doch, vor allem im Kanton Solothurn wird neuerdings offen über die günstigen Einkäufe ennet der Grenze gesprochen. Früher wurde der Gang über die Grenze zum Einkaufen tunlichst verschwiegen.
Einlösen von Geldgeschenken und Gutscheinen
Nach Weihnachten werden in den Einkaufszentren und Läden oft erhaltene Geldgeschenke oder Gutscheine direkt in größere Anschaffungen (Elektronik, Kleidung) investiert. Vor allem Kinder und Jugendliche tauchen mit erstaunlich grossen Beträgen in Deutschland auf. Zollbeamte bestätigen, die vorbeifahrenden Autos sind voll mit Kindern.
Fazit:
Obwohl der 29. und 30. Dezember 2025 keine Feiertage sind, führt die Kombination aus Ferienzeit in der Schweiz und der Vorbereitung auf die Neujahrsfeiern dazu, dass die Läden in Grenznähe (z. B. in Konstanz, Lörrach, Rheinfelden oder Weil am Rhein) wohl die höchsten Umsätze des Jahres bolzen. Es ist auch morgen Dienstag, 30. Dezember 2025, mit vollen Parkhäusern und längeren Wartezeiten am Zoll zu rechnen.
Wir selber kauften für rund 600 Euro ein (6 Personen). Vom letzten Einkauf erhielten wir noch 197 Euro Mehrwertsteuer zurück. Für zwei volle Einkaufswagen bezahlten wir somit bloss 403 Euro. Umgerechnet in Schweizer Franken sind das CHF 374.50.




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