Fahrzeugflotte wird älter: Garagisten machen mehr Umsatz in der Werkstatt?
Der Verkauf von Neuwagen bricht in der Schweiz regelrecht ein. Während im Jahr 2012 noch 334'045 Neuwagen in Verkehr gesetzt wurden, waren es 2022 nur noch 229'403. Dramatisch ist diese Tatsache, weil in der selben Zeit die Bevölkerung eigentlich um 1 Million Menschen zulegte. Was ist los mit dem Autohandel in der Schweiz?
Schweizerinnen und Schweizer wollen viel Platz zum günstigen Preis. Leider sind E-Autos viel zu teuer und es gibt nur wenige Raumwunder mit 6-Plätzen sowie entsprechendem Kofferraum für grössere Familien. Deshalb bricht der Verkauf von "Steckerautos" buchstäblich ein. Symbolbild von Swansway Motor Group / unsplash.com
Die Schere geht wuchtig auseinander. Es ist nicht nur so, dass immer weniger Neuwagen verkauft werden, sondern die Anzahl potenzieller Kundinnen und Kunden (nämlich die Bevölkerung) wäre eigentlich gewachsen.
Der Verband der Auto-Importeure auto-schweiz schreibt in einer Mitteilung, dass die wirtschaftlichen Belastungen für den Neuwagenverkauf enorm seien. Trotz des nach wie vor deutlichen Marktwachstums im Vergleich zum schwachen Vorjahr, gehe das nunmehr vierte Kalenderjahr in Folge mit deutlichem reduziertem Marktvolumen im Neuwagengeschäft nicht spurlos am Schweizer Autogewerbe vorbei.
Die nächste Aussage der Medienmitteilung irritiert: "Viele offizielle Markenhändler können dort fehlende Umsätze zwar teilweise im Werkstattbetrieb kompensieren." Wurden also der Service und die Reparaturen in letzter Zeit teurer, um Einbussen beim Neuwagenverkauf zu kompensieren? Falsch, präzisiert auto-schweiz gegenüber soaktuell.ch: "Die höheren Umsätze kommen daher zustande, weil eine langsamere Erneuerung der Fahrzeugflotte zu im Durchschnitt älteren Fahrzeugen führt, die einen höheren Reparaturbedarf aufweisen. Daher die höheren Garagenumsätze."
Was aber, wenn die Kosten für einen Service eines jüngeren Autos plötzlich markant höher ausfallen als gewohnt oder bei jedem Service Teile hinzukommen, die angeblich ausgewechselt werden sollten? In solchen Fällen lohnt es sich immer, andere Offerten zu vergleichen, Zweitmeinungen bei Reparaturen einzuholen oder den Wagen gleich im grenznahen Ausland kostengünstig warten zu lassen.
Kosten - Nutzen Abwägung stimmt nicht mehr
Viele Leute arbeiten seit Corona einen Teil pro Woche im Homeoffice. Da verzichtet man rasch auf den Zweitwagen und wählt zum Pendeln die Bahn, welche in den letzten Monaten Rekordzuwachsraten verzeichnet hat, einen E-Scooter oder ein E-Bike. Und warum wenden sich die Menschen vom Auto ab? Der Grund sind die Kosten, nicht etwa die Regulierungen durch Bundesrat und Parlament.
Wenn Treibstoffpreise hoch sind, die Autoversicherung teurer wird, die Zinsen für Autokredite oder Leasing-Raten steigen und Staus auf dem Arbeitsweg länger werden, machen sich Autofahrerinnen und Autofahrer irgendwann Gedanken. Anstatt jetzt den Markt mit günstigen Autoangeboten zu fluten, macht das Autogewerbe das Gegenteil. Es werden den potenziellen Kundinnen und Kunden viel zu teure Elektrofahrzeuge angedreht oder bei Service und Reparaturen abgezockt. Auch Occasionen sind so teuer wie nie zuvor.
Rückgang bei Steckerfahrzeugen
Bereits im laufenden Jahr ist, gemäss auto-schweiz, ein Abflachen der Wachstumskurve bei den Steckerfahrzeugen festzustellen. Nach neun Monaten 2023 können reinelektrische Personenwagen (19,8 %, + 3,5 Prozentpunkte) und Plug-in-Hybride (8,9 %, + 0,5 Prozentpunkte) ihre jeweiligen Marktanteile zwar leicht ausbauen. Doch die Zuwachsraten haben sich im Vergleich zu den Vorjahren deutlich abgeschwächt. Ganz offensichtlich ist die Nachfragegrenze erreicht. auto-schweiz ruft nach politischen Eingriffen, um den Umstieg auf E-Autos zu forcieren. Aber, ist das richtig? Was ist denn der tatsächliche Grund dafür, dass Schweizerin und Schweizer einen Bogen um E-Autos machen? Antwort: Sie sind viel zu teuer. Man bekommt zu wenig Auto für zu viel Geld. Und sie sind oftmals unpraktisch. Die grosse Batterie geht zulasten der verfügbaren Sitzreihen und/oder des Kofferraums. Das schreckt ab und entspricht nicht dem, was viele Schweizer Kundinnen und Kunden suchen.
E-Autos sind rund 20 Prozent zu teuer - das merkt die Kundschaft
Beispiel (autoscout.ch vom 03.10.23): Wenn eine Familie mit vier Kindern für einen "TOYOTA Proace City Verso L2 50KWh Trend" rund 55'000 Franken bezahlen muss, sind das mindestens 10'000 Franken zu viel für jede Familie mit durchschnittlichem Einkommen in der Schweiz. Solche horrenden Neuwagenpreise können in guten Jahren vielleicht verlangt werden, wenn die Kredite attraktiv und Leasingraten tief ausfallen - aber sicher nicht jetzt. Neue E-Autos sind rund 20 Prozent zu teuer. Hier bezahlen die Käuferinnen und Käufer entweder einen grossen Teil an die Entwicklung der entsprechenden E-Autos oder es ist eine hohe Marge für den Verkäufer im Spiel - oder beides.
Wenn das Autogewerbe meint, fehlende Umsätze auf die wenigen Neuwagen aufzuschlagen, die noch verkauft werden oder gar bei Service und Reparatur massiv aufzuschlagen, schaufelt es sich sein eigenes Grab. Denn die Flaute im Neuwagenverkauf ist keine vorübergehende Erscheinung. Vielmehr sind in den letzten vier Jahren viele Autofahrerinnen und Autofahrer im Land daran, sich neu zu orientieren. Denn das Auto ist ein Kostenfaktor, der schon vor Jahren seinen Höhepunkt erreicht hatte. Jetzt laufen die Kosten für ein Auto aus dem Ruder. Es bleibt dem Autogewerbe also nur, Personal und Fläche abzubauen um Kosten zu senken und Autos markant günstiger anzubieten.
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