2025: Das Auto steckt in der grössten Krise seiner Geschichte
- Redaktion soaktuell.ch

- vor 3 Tagen
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2025 wurde in der Schweiz offensichtlich, was die Verbände und Lobbyisten jahrelang versuchten zu beschönigen. Die Schiene boomt, während das Auto zur Kostenfalle wird. In einer Zeit, in der das Schweizer Strassennetz regelmässig an seine Kapazitätsgrenzen stösst, zeichnet sich ein fundamentaler Wandel in unserem Mobilitätsverhalten ab. Während das Auto jahrzehntelang als unangefochtenes Statussymbol und Inbegriff von Freiheit galt, wandelt sich die Schweiz heute zum Land der Bahnfahrer – getrieben durch explodierende Unterhaltskosten, ökologisches Bewusstsein und ein exzellent ausgebautes ÖV-Netz.

Die Bahn bricht Rekord um Rekord, der Automarkt schwächelt
Die Zahlen der SBB sprechen eine eindeutige Sprache: Noch nie waren so viele Menschen in der Schweiz mit dem Zug unterwegs wie heute. Im Jahr 2024 beförderte die SBB täglich durchschnittlich 1,39 Millionen Reisende – ein massiver Anstieg gegenüber den 1,32 Millionen des Vorjahres. Auch 2025 wächst die Zahl. Trotz der Herausforderungen durch Grossbaustellen im Netz zeigt dieser Trend: Die Schiene ist das Rückgrat der modernen Schweizer Mobilität geworden.
Autobranche schaufelte sich mit hohen Preisen das eigene Grab
Im krassen Gegensatz dazu steht die Entwicklung auf dem Automarkt. Die Neuzulassungen von Personenwagen befinden sich auf einem Abwärtstrend. Im Vergleich zum Vorjahr sanken die Verkaufszahlen kumuliert um rund 4 Prozent. Während vor wenigen Jahren noch regelmässig über 300'000 Neuwagen pro Jahr zugelassen wurden, ist der Markt heute von einer spürbaren Kaufzurückhaltung geprägt. Im Jahr 2025 wurden rund ein Drittel weniger Autos in der Schweiz zugelassen. Selbst die politische Hoffnung, dass E-Autos den Markt beflügeln könnten, erfüllt sich nur zögerlich: Der Marktanteil reiner Elektroautos bei den Neuzulassungen stagniert bei etwa 20 Prozent – die Euphorie der ersten Jahre ist einer Kosten-Nutzen-Abwägung gewichen.
Stillstand auf der A1: Der Stau-Hotspot Aargau-Solothurn
Ein Grund für den Umstieg auf die Bahn ist der zunehmende Frust auf der Strasse. Die Staustunden in der Schweiz haben ein historisches Hoch erreicht: Über 48'000 Staustunden wurden landesweit registriert. Besonders prekär ist die Lage im „Nadelöhr“ der Schweiz – dem Gebiet Aargau-Solothurn.
Auf der Ost-West-Achse (A1) zwischen dem Bareggtunnel und der Verzweigung Luterbach (SO) kommt der Verkehr immer öfter zum Erliegen. Allein im Kanton Aargau haben sich die Staustunden innerhalb der letzten Jahre massiv erhöht, oft verursacht durch Verkehrsüberlastung ohne Unfälle. Wer täglich zwischen Olten, Aarau und Lenzburg pendelt, verliert statistisch gesehen mehrere Arbeitstage pro Jahr im Schritttempo. Dieser Zeitverlust macht das Generalabonnement der SBB trotz Preiserhöhungen zu einer immer attraktiveren Alternative zum Stress am Steuer. Von Olten in Richtung Bern sieht es wegen Dauerbaustellen nicht viel besser aus. Was man hier schon seit Jahren bräuchte, nämlich durchgehend sechs Spuren, fängt man erst jetzt an zu bauen. Das Problem wird sich also noch jahrelang verschärfen.
Kostenfalle Auto: Wenn der Unterhalt zum Luxus wird
Wir haben es hier auch soaktuell.ch schon jahrelang thematisiert. Die Autos sind in der Schweiz zu teuer, die Versicherungen auch und der Unterhalt sowie die Reparaturen sowieso. Jahrelang meinte die Branche, sie könne Kosten und fette Gewinne auf die Kunden abwälzen. Doch jetzt wird offensichtlich, es gibt bald keine Kunden mehr. Die Grenze des zumutbaren ist längst überschritten. Kosten dürfen nicht auf die Kunden abgewälzt, sondern müssen eingespart werden. Die Autobranche hat das erst im Jahr 2025 gecheckt und bis daher stets der Politik die Schuld gegeben. Zu spät für viele Branchenakteure.
Gewiss. Autofahren in der Schweiz war nie günstig, doch die Preisspirale hat sich zuletzt drastisch beschleunigt. Daran ist die Autobranche selber schuld und nicht die Politik.
Service und Reparaturen: Fachgaragen kämpfen mit höheren Lohnkosten und teureren Ersatzteilen. Fakt ist aber, dass viele von ihnen laufend Geld verlieren für zu grosse Flächen in grosskotzigen Glaspalästen, für teure Investitionen in Softwarelösungen, fürs Internet und Dauerwerbung. Zudem kümmern sie sich kaum darum, ob man die Ersatzteile nicht im Internet günstiger auftreiben könnte, als bei den Hoflieferanten. Die Preise für Service-Arbeiten sind spürbar gestiegen, wobei Ersatzteile teilweise Teuerungsraten von bis zu 15 Prozent verzeichneten. In unserem Redaktionsteam gibt es ein gutes Beispiel: Einen achtjährigen Alfa Romeo Giulia. Ein Service kostete 2022 noch 860 Franken, ein Jahr später 1250 Franken, 2024 dann 1470 Franken und 2025 offerierte die Garage schon 1850 Franken. Mit dabei waren keine besonderen Reparaturen, ausser mal Bremsbelege oder Scheibenwischer. Heute machen die Besitzer regelmässig einen Ölwechsel und lassen Bremsbeläge und Filter kontrollieren - aber in einer Garage in Weil am Rhein (Deutschland) für umgerechnet 650 Franken. Schweizer Garagisten verdienen gar nichts mehr daran. Und der Alfa läuft besser als früher.
Versicherungsprämien: Nach Jahren der Stabilität ziehen die Prämien für die Autoversicherung 2024 und 2025 an. Grund sind die enormen Reparaturkosten moderner Fahrzeuge; schon kleine Parkschäden kosten wegen der verbauten Sensoren heute vierstellige Beträge. Das sagen die Versicherungen. Fakt ist aber auch, dass bei vielen Versicherungen vor allem die steigenden Lohnkosten, Softwarekosten, die Liegenschaften und Werbung am meisten Geld wegfrisst. Auch sie meinen, Kosten einfach auf die Kunden umwälzen zu können. Das Ergebnis, Autos werden unattraktive Kostenfallen, werden nicht mehr gekauft und damit erübrigen sich auch Versicherungen.
Neuwagenpreise: Ein neues Auto kostet heute im Schnitt deutlich mehr als vor der Pandemie. Der TCS rechnet vor, dass ein durchschnittlicher Personenwagen jährliche Gesamtkosten von rund 10'000 bis 12'000 Franken verursacht, wenn Wertverlust, Fixkosten und Unterhalt eingerechnet werden. Verlangen die Garagen dann noch über 60'000 Franken für einen Neuwagen, ist die Grenze beispielsweise für Familien überschritten.
Bevölkerungswachstum vs. Platzmangel
Besonders brisant ist diese Entwicklung vor dem Hintergrund der wachsenden Bevölkerung. Die Schweiz steuert auf die 9-Millionen-Grenze zu. Mehr Menschen bedeuten mehr Mobilitätsbedürfnisse. Da der Platz in den Städten und auf den Autobahnen (trotz geplanter Ausbauten) begrenzt ist, führt der Weg zwangsläufig über effizientere Transportmittel. In urbanen Zentren wie Zürich oder Bern leben bereits über 25 Prozent der Haushalte völlig autofrei. Der Fokus verschiebt sich: Gefragt ist nicht mehr der Besitz eines Fahrzeugs, sondern der Zugang zu Mobilität.
Fazit: Die Schweiz auf neuen Gleisen
Wir erleben keinen plötzlichen Bruch, sondern eine schleichende Transformation. Die Kombination aus explodierenden Unterhaltskosten, dem permanenten Stillstand auf den Autobahnen im Gebiet Aargau-Solothurn und einem immer dichteren Bahntakt macht den Verzicht auf den eigenen Neuwagen für viele zur logischen Entscheidung. Obwohl die Bevölkerung wächst (und damit die Potenzielle Autokundschaft), nimmt das Interesse an Autos ab. Das ist bei genauerer Betrachtung nachvollziehbar. Denn eine ganze Branche schafft sich derzeit mit zu hohen Kosten selber ab. Die Reaktion ist Panik in der Branche. Viele Garagisten versuchen, Flächen zu verkaufen oder zu vermieten.
Das nachfolgende Bild haben Sie sicher auch schon beobachten können: Plötzlich teilen sich eine Autogarage und ein Velohändler das gleiche Schaufenster. Vorne im Büro sitzen aber immer noch fünf bis sechs Personen, welche Verkauf, Werbung und Administration erledigen. Zwei Jahre später gibt es die Garage nicht mehr. In der aktuellen Panik versuchen die Händler endlich, den Kunden die Autos zu sehr günstigen Konditionen nachzuwerfen. Doch das kommt zu spät. Die zu hohen Folgekosten für Versicherungen, Zubehör, Reparaturen und Unterhalt sind im Hintergrund da und töten den Markt.
Die Strasse bleibt wichtig, doch die Zukunft der massentauglichen Mobilität in der wachsenden Schweiz wird zunehmend auf Schienen geschrieben, solange die Autobranche (inkl. Versicherungen, Garagen und Leasinggesellschaften) nicht massiv günstiger wird. Ganz einfach.




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