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Rückblick 22: Social Web wurde böse, Games plötzlich salonfähig

Das Medienjahr 2022 war von vielen negativen Schlagzeilen geprägt, die soziale Online-Medien betreffen. Ob Suchtgefährdung, Verbreitung von Hass und Gewalt, Betrügereien oder mangelnder Jugendschutz - nie zuvor haben Facebook und Co so viel Kritik einstecken müssen. Spitzenreiter war diesmal TikTok, das als "Gefahr für Kinder" und "Fake-News-Schleuder" bezeichnet wird. Ein Gegentrend zeigt sich bei Videospielen.


pte.


Negative Seite der Online-Welt

Die Nutzung sozialer Medien kann sich positiv auf das Wohlbefinden sozial isolierter Älterer auswirken, wie eine Studie der University of Texas in Austin herausgefunden hat. Meldungen wie diese waren 2022 Mangelware. Weitaus öfter rückte die negative Seite der interaktiven Online-Welt in den Fokus. So wurde etwa deren Suchtpotenzial thematisiert oder festgestellt, dass viele Seiten Hass in der Gesellschaft schüren und dadurch letztlich sogar die Demokratie in Gefahr bringen könnten. Da verwundert es nicht, dass Experten inzwischen verstärkt dazu raten, regelmäßige Social-Media-Pausen einzulegen, um die eigene Psyche zu schonen.


Versagen beim Jugendschutz

Besonders schlecht schneiden die Vertreter dieser Sparte ab, wenn es um den Schutz ihrer jüngeren Nutzerschaft geht. Laut einer britischen Umfrage in Großbritannien sind 39 Prozent der Kinder im Alter zwischen 13 und 17 Jahren bereits Opfer oder Zeuge von Gewalt im Social Web geworden. Mechanismen wie Altersnachweis- und ID-Verifizierungstechnologien, die gerade Jüngere vor ungeeigneten Inhalten schützen sollen, werden als "überholungsbedürtig" kritisiert. Aber auch wenn Missbrauchsopfer etwaige Übergriffe an die Betreiber melden, bekommen sie in der Mehrheit der Fälle nicht einmal eine Antwort.


Dabei verbringen gerade Teenager heute nicht zuletzt auch als Folge der Corona-Pandemie mehr Zeit denn je mit sozialen Medien, wie eine Umfrage von Common Sense Media aufzeigte. Bei 13- bis 18-Jährigen wurde in diesem Jahr mit acht Stunden und 39 Minuten Nutzungsdauer ein neuer Höchstwert verzeichnet. Gleichzeitig finden aber acht von zehn Eltern, dass sich die psychische Gesundheit von Kindern verbessert, wenn sie weniger Zeit auf Facebook, Twitter und anderen Plattformen verbringen. Für sechs von zehn Eltern haben Kinder unter 13 Jahren überhaupt nichts in den sozialen Medien verloren, wie eine Befragung in den USA ergab.


TikTok ist Übeltäter Nummer eins

Als Übeltäter Nummer eins wurde dieses Jahr nicht Facebook, sondern TikTok ausgemacht. Das chinesische Videoportal, das bei vielen Jugendlichen mittlerweile schon beliebter ist als die US-Konkurrenz, gilt nicht nur als eine der schlimmsten Datenkraken, sondern soll seine Nutzer geradezu mit schädlichem Content "vergiften", so die Anschuldigung des Center for Countering Digital Hate. User des Portals sollten sich zudem bewusst sein, dass darauf zu wichtigen Themen wie der russischen Invasion in die Ukraine, Schießereien an Schulen oder COVID-Impfstoffen anhaltend falsche und irreführende Aussagen verbreitet werden, so eine Analyse von NewsGuard.

Der Aufstieg von TikTok und dessen enorme Beliebtheit bei Jüngeren hat dazu geführt, dass das Portal zunehmend für fragwürdige Marketing-Zwecke verwendet wird. Zum Beispiel nutzen Hollywood-Studios die Seite zur Vermarktung ihrer TV-Shows. Das Problem hierbei: Sie tun dies mit expliziten Inhalten für Erwachsene, die eigentlich für Kinder völlig ungeeignet sind, wie eine Studie des Parents Television and Media Council kritisierte. Ähnlich problematisch sind aber auch Videoclips auf dem Portal, die eine falsche Ernährung propagieren und Jugendliche in die Magersucht treiben. Angesichts mangelnder Schutzmechanismen will man TikTok deshalb in Großbritannien sogar eine Strafe in Höhe von 27 Mio. Pfund (rund 30 Mio. Euro) aufbrummen.


Smartphones als "Beziehungs-Killer"

Genauso wie soziale Medien sind auch Smartphones aus dem modernen Alltagsleben kaum noch wegzudenken. Laut neuestem Bericht von App Annie verbringen Menschen inzwischen im Schnitt bereits vier Stunden und 48 Minuten pro Tag mit mobilen Apps auf ihren Handys. Das entspricht einem Drittel der Wachzeit, die eine Person täglich zur Verfügung hat. Um die Nutzungsdauer zu reduzieren, bringt es auch nichts, die Stummschaltung zu aktivieren. Das kann genau das Gegenteil bewirken und dazu führen, dass man noch mehr Zeit vor dem Bildschirm verbringt, warnen Forscher der Pennsylvania State University.


Wie bei Facebook und Co zeigt sich aber auch bei Smartphones immer deutlicher, dass eine übermäßige Nutzung durchaus sehr schädlich für einen selbst und sein persönliches Umfeld sein kann. Rund 88 Prozent der verheirateten Inder sehen beispielsweise ihre Beziehung durch übermäßigen Smartphone-Gebrauch negativ beeinträchtigt. Betroffen sind aber nicht zuletzt auch viele junge Menschen, die sich, wenn sie zuviel Zeit mit ihrem Handy verbringen, tagsüber oft müde und ausgelaugt fühlen. Die Eltern werden sich dieser Umstände zunehmend bewusst und glauben, dass ihre Kinder erst ab 13 Jahren ein Handy nutzen sollten.

Gamen wurde während Corona salonfähig. Symbolbild von Anthony Ashley / pixabay.com


Videospiele als positive Ausnahme

Bei aller Kritik und den negativen Aspekten, die den Mediensektor 2022 geprägt haben, gibt es aber auch positive Ausnahmen. Eine davon ist der Bereich Videospiele, der laut BITKOM auch ein "fester Bestandteil im Alltag" geworden ist - vor allem bei Jugendlichen. Knapp 89 Prozent der Zehn- bis 18-Jährigen in Deutschland spielen Computer- oder Videospiele und investieren dafür im Schnitt zwei Stunden und 29 Minuten pro Tag - am Wochenende ist der Wert sogar noch höher. Besonders im Trend liegen mobile Games, deren Umsatz um 22 Prozent auf 2,8 Mrd. Euro geklettert ist.


In Anbetracht des anhaltenden Gaming-Booms ist es nur logisch, dass sich auch große Player im Medienzirkus immer mehr bemühen, in diesem Sektor Fuß zu fassen. Amazon hat etwa in den USA bereits mit dem Abo-Service "Amazon Luna" einen Großangriff auf die Branche gestartet und Netflix will sich vor allem darauf konzentrieren, Gaming-Fans mit Spieleumsetzungen seiner erfolgreichen Serien-Franchises zu ködern. Dafür hat der Streaming-Gigant sogar in Helsinki ein eigenes Spielestudio gegründet.


Entscheidend für die steigenden wirtschaftliche Attraktivität von Videospielen ist nicht zuletzt der Umstand, dass die Branche in den letzten Jahren einen gravierenden Imagewechsel durchlebt hat. Während vor nicht allzu langer Zeit noch von gewaltverherrlichenden "Killerspielen" die Rede war, stellen Experten heute fest, dass Games etwa die Intelligenz von Kindern steigern, die Lesefähigkeit verbessern oder sich positiv auf die kognitiven Fähigkeiten auswirken können. Daher überrascht es nicht, dass auch fast 40 Prozent der Eltern glauben, dass Videospiele einen positiven Einfluss auf das geistige Wohlbefinden ihrer Kinder haben.

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