Bauern jammern wegen sinkenden Brot- und Fleischpreisen
- Redaktion soaktuell.ch
- vor 21 Stunden
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Im Detailhandel hat eine verantwortungslose Preisspirale gegen unten eingesetzt. Diese schadet der Nachhaltigkeit auf allen Stufen und fördert die Lebensmittelverschwendung. Der SBV fordert das Einhalten der vom Detailhandel gemachten Versprechen zu den Produzentenpreisen und die Rückkehr zu Vernunft und Verantwortung. So steht es in einer Mitteilung des Schweizerischen Bauernverbandes. Doch das Problem sind nicht die Preise.

Ein Pfund Brot für 99 Rappen, eine Flasche Chasselas Romand für 2.19 Franken oder nachhaltiges Fleisch mit riesigen Rabatten: Die Lockangebote im Detailhandel nehmen zu. Gegenwärtig ist es ALDI, der sich zuerst mit Billigstangeboten profiliert, die übrigen Detailhändler ziehen dann nach. Alle behaupten, diese Preissenkungen selbst zu finanzieren und keinen Druck auf Lieferanten und die landwirtschaftlichen Produzenten auszuüben. Die langfristige Realität lässt etwas anderes befürchten. Der SBV fordert die konsequente Einhaltung dieses Versprechens! Die Gefahr ist aber gross, dass bei der nächsten Ausschreibung die Grossverteiler die Erwartung an ihre Lieferanten haben, ihnen preislich entgegenzukommen. Um den Zuschlag zu erhalten, müssen diese ihre Preise senken und geben die Einbussen auf ihre Lieferanten weiter. Es ist daher zu befürchten, dass früher oder später der Druck auch bei den Bauernbetrieben landet. Dies schreibt der Bauernverband.
Die Realität ist eine andere. Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer, vor allem Familien mit vielen Kindern, können sich das Leben hier kaum mehr leisten. Was der Bauernverband vergisst, ist die Tatsache, dass es nicht nur die Bauern im Land gibt, zu denen man Sorge tragen muss. Denn, vom Auto bis zur Miete, von der Krankenkasse bis zum Strom, von den Sachversicherungen bis zum Restaurantbesuch, von den Skitickets bis zu den Sommerferien, ist alles teurer geworden. Während der hohen Inflation war das erklärbar, doch jetzt gehen die Kosten nicht zurück. Herr und Frau Schweizer:in müssen diese Mehrkosten kompensieren, wo sie können, um den Lebensstandard der Familien zu halten. Das gilt insbesondere auch für die Wocheneinkäufe.
In diesem Jahr werden Rekordsummen von über 9,2 Milliarden Franken aus der Schweiz ins grenznahe Ausland gebracht - hauptsächlich für Lebensmitteleinkäufe. Die tiefere Zollfreigrenze von nur noch 150 Franken pro Person hat diese Explosion des Einkaufstourismus noch beflügelt. Denn Schweizerinnen und Schweizer reisen jetzt wie erwartet öfters über die Grenze - und nehmen noch Kinder oder Freunde mit zum einkaufen. Und warum tun sie das? Weil die Einkäufe durchschnittlich 40 Prozent günstiger sind als in der Schweiz, hat die HSG ausgerechnet. Hinzu kommt die Rückforderung der Mehrwertsteuer und ein attraktiver Rabatt dank dem tiefen Eurokurs von weiteren fast 10 Prozent. Insgesamt bekommt eine Schweizer Familie also fürs gleiche Geld wie in der Schweiz für einen gefüllten Einkaufswagen noch fast einen weiteren geschenkt. Noch Fragen?
Kurz: Es gibt eine Kundschaft in der Schweiz, die durchaus bereit ist, für Schweizer Qualität (wenn sie es denn wirklich ist) mehr zu bezahlen. An die denkt der Bauernverband. Aber es gibt eben auch eine grosse Masse an Menschen in unserem Land, die extrem aufs Geld schauen müssen, damit es noch für einen gewissen Lebensstandard reicht. Und diese sind froh um Discounter wie Aldi oder Lidl, die Migros, Denner und Coop regelmässig dazu zwingen, ihre Preise zu senken. Übrigens sind die tieferen Preise bei Aldi keine Lockangebote, wie der Bauernverband schreibt, auch keine einmaligen Aktionen, sondern dauerhafte Verkaufspreise.
Seien wir ehrlich: Wenn jemand bei Einkaufsverhandlungen die Bauern im Preis drückt, sind es dem Vernehmen nach doch meistens nicht Aldi und Lidl, sondern eben gerade die mächtige Migros. Der Bauernverband soll doch bitte Klartext reden und die Detailhändler namentlich benennen, welche die Bauern regelmässig unter Druck setzen. Bei den Ladenpreisen aber, haben wir in der Schweiz gerade Aldi und Lidl extrem viel zu verdanken. Sonst könnten Migros und Co. weiterhin mit uns Konsumentinnen und Konsumenten machen, was sie wollen.
