"America first": Die Kosten steigen in den USA zuerst. Trump unter Druck.
- Redaktion soaktuell.ch

- vor 1 Tag
- 6 Min. Lesezeit
Die USA blicken mit wachsender Besorgnis auf ihre Wirtschaft. Nicht die Arbeitslosigkeit oder eine drohende Rezession dominiert die Schlagzeilen, sondern die alltägliche, schmerzhafte Realität steigender Preise: die Inflation. Was die Regierung Trump als Akt des wirtschaftlichen Nationalismus verkaufte – die Einführung massiver Zölle auf Importe, auch aus der Schweiz – hat sich für viele Amerikanerinnen und Amerikaner zum finanziellen Albtraum entwickelt. Die Teuerung ist zur grössten Sorge der Bevölkerung geworden und bedroht die politische Zukunft des Präsidenten.

Der Preis des Protektionismus: Trumps Inflations-Turbo
Als Donald Trump 2025 seine zweite Amtszeit antrat, setzte er schnell auf die Umsetzung seiner «America First»-Agenda, allen voran mit einem weitreichenden Zolltarif-System. Das Ziel: Importe verteuern, heimische Produzenten schützen und Jobs zurückholen. Die Realität sieht jedoch anders aus.
Ökonomen warnen seit Monaten, dass Zölle keine Steuern für das Ausland sind, sondern eine Steuer, die letztlich die inländischen Konsumenten und Unternehmen bezahlen. Die importierenden US-Firmen müssen die Zölle entrichten und geben diese zusätzlichen Kosten fast vollständig an ihre Kunden weiter. Ein Teil der Kosten wird auch auf die Preise von im Inland hergestellten Waren übertragen, da sich die Produktionskosten erhöhen (z. B. durch teurere importierte Vorprodukte).
Gegen die jahrelang USA-treue Schweiz hat Trump 39 Prozent Zölle erhoben, der höchste Satz gegen ein Industrieland. Und die Schweizer Bundespräsidentin (Bundesrätin Karin Keller-Sutter) hat er im Sommer auflaufen lassen und sie kritisiert: "Sie wollte nicht zuhören." Dabei wollte ihn Keller-Sutter bloss vor dieser Politik warnen. Strafzölle gegen die einst befreundete Schweiz, Beleidigung der Bundespräsidentin und eine Art, von oben herab Druck auf die Eidgenossen zu machen, löste in der Schweiz eine genetisch tief verwurzelte Aversion gegen die "Obrigkeit" aus, die in der Gründungszeit der Eidgenossenschaft zu suchen ist. Eine im Dezember 2025 veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sotomo, im Auftrag des Blicks, zeigte ein klares Bild der Stimmungslage gegen den Zoll-Deal mit den USA: 69 Prozent der Befragten Schweizerinnen und Schweizer sprechen sich "dagegen" oder "eher dagegen" aus. Es ist nur eine Umfrage, klar. Aber, so deutliche Werte in Umfragen sind selten. Und fast niemand der Befragten hatte keine Meinung. Die Antworten kamen wie aus dem Rohr geschossen. Trump hat das Ansehen der USA in der Schweiz massiv beschädigt.
Jetzt schlägt das Pendel zurück. Das amerikanische Volk muss bezahlen.
Studien gehen davon aus, dass Trumps Zölle die jährliche Inflationsrate in den USA um bis zu ein Prozentpunkt erhöht haben. Im Herbst 2025 lag die Inflation deshalb deutlich über dem 2-Prozent-Ziel der Notenbank Federal Reserve. Besonders hart trifft dies die Preise für Güter des täglichen Bedarfs, von Lebensmitteln bis hin zu Haushaltswaren. Die Amerikaner spüren dies unmittelbar beim Wocheneinkauf. Das Konsumentenvertrauen ist auf den niedrigsten Stand seit Monaten gesunken. Die Amerikaner sehen ihre Kaufkraft schwinden und sind beunruhigt über die wirtschaftliche «Instabilität und Angst», wie es eine Bürgerin ausdrückte. Weil die Auswirkungen von Zöllen auf die Preise nur langsam wirken, ist die Spitze des Eisbergs wohl noch lange nicht erreicht.
Das politische Bumerang-Phänomen
Die Wirtschaftslage wird für Präsident Trump zusehends zur politischen Hypothek. Er wurde mit dem Versprechen gewählt, die Wirtschaft zu stärken und die Lebenshaltungskosten zu senken, doch das Gegenteil ist eingetreten, klar messbar für alle.
Seine Zustimmungswerte sinken – angetrieben vor allem durch die scharfe Ablehnung seiner Wirtschaftspolitik und seines Umgangs mit der Inflation. Selbst in seiner konservativen Basis wächst die Frustration. Die Wählerinnen und Wähler lassen sich nicht mehr damit ablenken, wenn der Präsident versucht, die Debatte auf kulturelle oder rassistische Themen zu lenken. Die steigenden Preise im Portemonnaie sind eine Realität, die man nicht ignorieren kann. Auch die Tatsache, dass Trump dem russischen Präsidenten Putin seit Monaten auf den Leim kriecht, stösst bei vielen konservativen Amerikanern auf wenig Gegenliebe. Andere stören sich auch am Umgang von Trump mit früher befreundeten Nationen, allen voran jenen in Europa. Die Zölle und Russlandfreundlichkeit sowie die grundsätzliche Kritik an der Nato haben dafür gesorgt, dass sich Europa in vielen Bereichen schleichend von den USA abkoppelt. Vordergründig bleibt man nett zu Trump und spielt auf Zeit, im Hintergrund arbeiten aber alle daran, die Abhängigkeiten zu den USA herunter zu fahren. Nur in der Schweiz sind wenig solche Bemühungen erkennbar. Selbst amerikanische Touristen spüren in Europa da und dort bereits eine gewisse Ablehnung. Man ist höflich und nett zu ihnen, denn sie können direkt ja nichts für die Situation, aber man gibt ihnen zu verstehen, dass man in Europa keine Freude am Trump-Style hat und dieser auch hier wirtschaftliche Schäden verursacht und Jobs gefährdet. Das ist "unter Freunden" nicht lustig. Viele amerikanische Touristinnen und Touristen entschuldigen sich denn auch laufend für ihren Präsidenten.
Die nächsten Wahlen kommen bestimmt
Die Demokraten wittern bereits Morgenluft für die nächsten Kongresswahlen. Sie nutzen Trumps gescheiterte Inflationsbekämpfung und seine Tarifpolitik als zentrales Argument, um die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückzugewinnen.
Die demokratische Ersatzbank: Wer ist bereit für 2028?
Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2028 beginnt in der demokratischen Partei die Suche nach einer aussichtsreichen Alternative. Nach der Niederlage von Kamala Harris im Jahr 2024 ist die Führungsposition vakant, und es bildet sich ein Feld potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten heraus.
Gavin Newsom Der Gouverneur von Kalifornien positioniert sich als Trumps schärfster Kritiker. Mit seinem progressiven, aber pragmatischen Ansatz und der Nutzung sozialer Medien, um Trumps Politik zu kontern, hat er sein nationales Profil geschärft.
Pete Buttigieg Der ehemalige Verkehrsminister hat sich als technokratischer Problemlöser und Vertreter der nächsten Generation etabliert. Er wird als potenzieller Kandidat gehandelt, der progressive Ideen mit einer bodenständigen Ausstrahlung verbinden könnte.
Weitere Kandidaten wie Senator Cory Booker aus New Jersey oder der Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear, halten sich die Tür offen und könnten in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen.
Die Demokraten verfügen somit über eine Reihe von Persönlichkeiten, die sich in Stellung bringen. Ob sie jedoch einen Kandidaten oder eine Kandidatin finden, der oder die die gespaltene Nation hinter sich vereinen und die wirtschaftlichen Ängste der Wähler glaubwürdig adressieren kann, bleibt die entscheidende Frage. Die Erinnerung an die verlorene Wahl 2024 – bei der die Inflation bereits eine grosse Rolle spielte – ist eine schmerzhafte Lektion.
Und welche Rolle spielt die Schweiz?
Viele sagen, dass die Schweiz oder der Schweizer Markt zu klein sei, um bei Trump überhaupt etwas zu bewirken. Das stimmt selbstverständlich. Die Schweiz beeindruckt die Amerikaner nicht. Aber, was wir tun und wie wir uns verhalten, hat in Europa grosse Symbolkraft und löst Nachahmungseffekte aus.
Die US-Zollpolitik unter Trump hat auch für die Schweiz direkte Auswirkungen. Als kleines, exportorientiertes Land ist die Eidgenossenschaft stark vom freien Welthandel abhängig. Die Drohung oder tatsächliche Erhebung von US-Zöllen auf Schweizer Produkte – etwa auf Maschinen, Uhren oder chemische Erzeugnisse – erhöht die Kosten für Schweizer Exporteure. Dies kann die Wettbewerbsfähigkeit Schweizer Unternehmen auf dem wichtigen amerikanischen Markt schwächen und im schlimmsten Fall zu einem Rückgang der Exporte führen. Zwar sind die direkten Zolldifferenzen mit der Schweiz geringer als etwa mit China, doch die protektionistische Grundhaltung Trumps schafft Unsicherheit und verzerrt die globalen Lieferketten, was indirekt alle Handelspartner trifft – auch die Alpenrepublik. Die Eskalation des Handelskonflikts in den USA ist somit ein Störfaktor für die Schweizer Wirtschaft. Mehr aber auch nicht.
Die Teuerungsspirale in den USA, angetrieben durch eine national-ökonomische Agenda, ist längst mehr als nur ein wirtschaftliches Phänomen. Es ist eine politische Herausforderung, die Präsident Trump in Bedrängnis bringt und die globalen Handelsbeziehungen, bis in die Schweiz hinein, auf die Probe stellt.
Die Quittung an der Umfragefront
Mit seinem Zollkrieg schadet Trump nicht primär den Ländern, denen er die Zölle erhöht hat, sondern seinem eigenen Land und damit sich selber. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die massive Unzufriedenheit der Amerikanerinnen und Amerikaner mit den steigenden Preisen hat sich längst in politische Kosten für Donald Trump verwandelt. Die nüchternen Umfragewerte zeigen, dass seine Zollpolitik und die daraus resultierende Inflation zu seinem grössten politischen Handicap in seiner zweiten Amtszeit geworden sind.
Trumps gesamter Zustimmungs-Wert (Job Approval) ist auf dem Tiefpunkt angelangt und liegt deutlich unter der kritischen Marke von 40 Prozent: Trumps allgemeiner Zustimmungs-Wert ist laut einer aktuellen Gallup-Umfrage (Stand November 2025) auf historisch tiefe 36 Prozent gefallen – der niedrigste Stand seiner zweiten Amtszeit. Gleichzeitig stieg seine Ablehnungsrate auf 60 Prozent. Nur noch etwa ein Viertel (25 Prozent) der Unabhängigen zeigt sich zufrieden mit seiner Leistung – dies ist ein Schlüsselindikator für seine Schwäche ausserhalb seiner loyalsten MAGA-Basis. Die Koppelung zwischen der Inflation und seiner Popularität ist evident. Die Wähler stützen ihr Gesamturteil massgeblich auf seine Wirtschaftspolitik.
Die Schweiz ist gut beraten, nicht zu viel Tempo und vor allem nicht zu viele Zugeständnisse an Trump zu machen, um einen Zoll-Deal zu erhalten. Das Schweizer Volk will Trump nicht in den Hintern kriechen und ist bereit, eine Zeit lang Nachteile in Kauf zu nehmen. Und die Zeit arbeitet schliesslich für die Schweiz. Es braucht nur etwas Geduld. Mittlerweile ist der Druck so gross, dass Trump einen Deal mit der Schweiz braucht und nicht umgekehrt. Also, abwarten. Oder wie man in den USA zu sagen pflegt: "Watch and learn."




Kommentare