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Aargauer Regierungsrat sieht Netzabschaltungen kritisch

Der Kanton Aargau hat seine Stellungnahme zu den Verordnungsentwürfen des Bundes für den Fall einer Strommangellage veröffentlicht. Im Grundsatz begrüsst der Regierungsrat die Massnahmen zur Vermeidung von unkontrollierten Blackouts. Der Regierungsrat fordert aber unter anderem, dass bei Einschränkungen und Verboten der Verwendung von Strom im privaten Bereich keine Kontrollen durchgeführt werden, da diese nicht verhältnismässig wären.

Symbolbild von joffi / pixabay.com


Trotz einem verbesserten Ausblick auf die Versorgungslage in diesem Winter erachtet es der Aargauer Regierungsrat als wichtig, sich vertieft mit möglichen Massnahmen zur Vermeidung der Auswirkungen einer Mangellage auseinanderzusetzen, im Sinne einer Eventualplanung. Die Verfügbarkeiten der Kernkraftwerke in Frankreich sowie die Länge und Härte des Winters bleiben als Risiko für eine Strommangellage bestehen, trotz zurzeit gut gefüllten Erdgasspeichern im europäischen Ausland und überdurchschnittlichen Speicherständen in den Schweizer Stauseen. Überdies ist auch in kommenden Wintern mit Knappheiten zu rechnen als Resultat von ausbleibenden russischen Gaslieferungen, alternden Kernkraftwerkparks im In- und Ausland sowie einer zunehmend unsichereren Stromproduktion und -speicherung bei Wasserkraftwerken auf Basis von Regen und Schneeschmelze.


Keine Kontrollen im privaten Bereich

Mit der Verordnung über Beschränkungen und Verbote der Verwendung elektrischer Energie und deren Anhänge werden zahlreiche Alltagshandlungen entweder verboten oder beschränkt. Verstösse sollen gemäss Landesversorgungsgesetz verfolgt und geahndet werden. Aus Sicht des Regierungsrates sollen Einschränkungen und Verbote im Privatbereich ausschliesslich als Sparappelle gelten und somit nicht als Widerhandlungen geahndet werden; folglich soll es keine Kontrollen im Privatbereich geben. Stattdessen sollen die Einschränkungen und Verbote im Privatbereich in die vorgelagerte Massnahmenstufe "Sparapelle" aufgenommen werden.


Sollte der Bund in diesem oder in weiteren Bereichen an einer Strafverfolgung bei Widerhandlungen gegen die Verwendungsverbote und -beschränkungen festhalten, müssen zwingend einheitliche Übertretungsstrafnormen geschaffen werden. Gleichzeitig müssen sie dem Ordnungsbussengesetz unterstellt werden, so dass sie, ihrer geringen strafrechtlichen Bedeutung entsprechend, in diesem vereinfachten Verfahren erledigt werden können. Im Weiteren muss seitens Bund vertieft geprüft werden, ob die Kontrollorgane Zutritt in zu kontrollierende Örtlichkeiten haben, ohne dass bereits ein konkreter Tatverdacht vorliegt, oder ob entsprechende rechtliche Grundlagen geschaffen werden müssten.


Bund soll Kontroll- und Vollzugsaufwand der Kantone entschädigen

Wie bereits bei den Verordnungen zur Gasmangellage will der Bund auch im Falle einer Strommangellage den Kantonen – neben anderen Instanzen – die Verantwortung für die Kontrolle und den Vollzug übertragen; er geht aber nicht näher darauf ein, wie der entsprechende ausserordentliche Aufwand finanziert werden soll. Da die Zuständigkeit für die Handhabung der Mangellage beim Bund liegt und er die entsprechenden Vorschriften erlässt, ist der an die Kantone delegierte Kontroll- und Vollzugsaufwand auch durch den Bund zu entschädigen.


Kontingentierungen sinnvoll, aber mit Differenzierungen

Ebenfalls kritisch sieht der Regierungsrat die beiden Verordnungen zur Sofortkontingentierung sowie zu den Netzabschaltungen. Der Kontingentierungssatz als Instrument der Energiebedarfsreduktion ist zwar prinzipiell sinnvoll. Für viele Grossverbraucher (insbesondere auch grosse Immobilien) ist aber eine Kontingentierung pro Tag mit einer Vorbereitungszeit von wenigen Tagen nicht umsetzbar.


Aus Sicht des Regierungsrats Kanton Aargau sollten zudem nicht alle Grossverbraucher mit demselben Satz belegt werden. Versorgungsrelevante Verbraucher, namentlich Unternehmen der Lebensmittel- und Medikamentenerzeugung, die Wasserversorgung und sicherheitsrelevante Institutionen wie Blaulichtorganisationen, Spitäler und Gefängnisse sollen deutlich weniger einsparen müssen. Weiter wird eine Differenzierung der Kontingentierungssätze nach Branche motiviert, ebenso wie die Prüfung eines freiwilligen Demand Side Response Marktes. So können energieintensive Branchen gegen Entschädigung einen wesentlich grösseren Beitrag zum Stromsparen leisten als im "Rasenmäherprinzip" mit einem einheitlichen Kontingentierungssatz.

Netzabschaltungen nicht umsetzen

Netzabschaltungen bergen mehrere Probleme, die entweder die gewünschte Einsparung nicht realisieren oder Leben und Infrastrukturen gefährden. Deshalb hat der Kanton Aargau bereits früh signalisiert, dass die Stufe "Netzabschaltungen" schwerwiegende Konsequenzen haben wird und deshalb darauf verzichtet werden soll. Bei der Eventualplanung stellte die kantonale Task Force Versorgungssicherheit fest, dass diese Massnahme nicht wie vorgesehen umgesetzt werden kann beziehungsweise mit gravierenden Problemen verbunden ist. Bei Stromabschaltungen können versorgungsrelevante Verbraucher wie zum Beispiel Altersheime oder andere Gesundheits- und Betreuungseinrichtungen aus technischen Gründen nicht ausgenommen werden. Bei Kommunikationsinfrastruktur-Einrichtungen kann regelmässiges Ein- und Ausschalten zu Systemschäden führen; dadurch müssten der öffentliche Verkehr und systemkritische Produktionsbetriebe – unabhängig von der Stromverfügbarkeit – den Betrieb einstellen.


Der Regierungsrat schlägt deshalb vor, auf die Massnahme der Netzabschaltungen zu verzichten und im Gegenzug mit verstärkten und/oder freiwilligen (Demand Side Response Markt) Kontingentierungen eine Strommangellage zu bewältigen.


Kurzarbeitsentschädigung analog Covid-Lösung weiterführen

Der Regierungsrat ist der Auffassung, dass beim Eintreten einer Strommangellage die Kurzarbeitsentschädigung von 80 Prozent für Lohnabhängige eine einschneidende Reduktion bedeutet und besonders für Geringverdiener nicht ausreichend ist. Solche Einschnitte sind auch volkswirtschaftlich relevant, weshalb hier Lösungen zu finden sind. Während der Coronavirus-Pandemie hat die Arbeitslosenversicherung vom 1. Dezember 2020 bis 31. Dezember 2022 die folgende Regelung eingeführt: Für Arbeitnehmende, deren monatliches Einkommen bei einem Vollzeitpensum kleiner oder gleich 3'470 Franken ist, beträgt die Kurzarbeitsentschädigung 100 Prozent des ausgefallenen Lohnes. Der Kanton Aargau fordert, dass diese Regelung für Geringverdienende für die Dauer der Gültigkeit der vorliegenden Verordnungen verlängert wird und Lohnreduktionen aufgrund von Kurzarbeit abgefedert werden.

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