Vertrauensbruch am Ladentisch: Schweiz und Europa kehren USA den Rücken
- Redaktion soaktuell.ch

- vor 6 Tagen
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Es ist mehr als ein Handelskrieg um Prozente und Zölle. Das Jahr 2025 markiert einen tiefen Riss im transatlantischen Gefüge. Der rüde Umgang Washingtons mit seinen ältesten und treuesten Verbündeten führt dazu, dass Schweizer und Europäer amerikanische Produkte und Dienstleistungen nicht mehr nur als zu teuer, sondern als politisch „belastet“ wahrnehmen. Die Zahlen zeigen es deutlich: Schweizer und Europäer wenden sich im privaten Bereich von amerikanischen Produkten und Dienstleistungen ab, wo sie nur können. Es scheint, als ob bestimmte US-Produkte wie iPhones oder Nike-Schuhe sogar negativ belastet sind.

Wenn Schweizer Traditionsunternehmen von heute auf morgen mit drakonischen „Strafsteuern“ belegt werden, bleibt das in der Bevölkerung nicht folgenlos. Die US-Zollpolitik unter der „America First“-Doktrin wird 2025 zunehmend nicht mehr nur als Angriff auf die wirtschaftliche Stabilität langjähriger Partner wahrgenommen. In der Schweiz, die sich stets als verlässlichen Pfeiler der Weltwirtschaft versteht, sorgt dieser Umgang für eine neue Form des Konsum-Widerstands. Eine Art "selektiver Boykott" - das gab es so noch nie.
Europa: Ein Kontinent geht auf Distanz
Was in der Schweiz als Trend spürbar ist, entwickelt sich in der Europäischen Union zu einem handfesten ökonomischen Beben. Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) und Marktanalysen von Ende 2025 zeigen, dass der Rückzug von US-Marken kein lokales Phänomen ist, sondern ein struktureller Wandel.
Frankreich & Deutschland: Hier brachen die Absatzzahlen prominenter US-Marken im Bereich Unterhaltungselektronik und Lifestyle im ersten Halbjahr 2025 um bis zu 25 % ein. Apps wie „BrandSnap“ helfen Millionen von Käufern, US-Produkte im Supermarktregal aktiv zu meiden.
Skandinavien: In Dänemark und Schweden hat sich eine besonders starke Boykott-Kultur entwickelt. In Schweden stürzten die Neuzulassungen von US-Elektrofahrzeugen phasenweise um über 80 % ab – ein Wert, der selbst Branchenexperten schockierte.
Dänemark: Grosse Einzelhändler wie die Salling Group kennzeichnen europäische Waren mittlerweile mit speziellen Symbolen, um dem Wunsch der Kunden nach „US-freien“ Alternativen nachzukommen.
Vom alten Freund zum „Gegner“: Die psychologische Wende
Lange Zeit galten US-Produkte als Symbole für Freiheit und Fortschritt. Wer mit einem iPhone in der Hand und Nike-Schuhen an den Füssen im Tesla unterwegs war, galt als top. Heute ist es ein flopp. Die aggressive Rhetorik aus Washington gegenüber Europa, die Erpressung von oben herab, auf die Eidgenossen fast schon genetisch allergisch sind (Stichworte: Wilhelm Tell, Gessler) hat dieses Image zertrümmert. Viele Konsumenten empfinden das Verhalten der US-Administration nicht mehr als harten Wettbewerb, sondern als massiven Vertrauensbruch unter Freunden oder eben, als Erpressung. So geht man mit Freunden nicht um.
Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Marketing an der Universität St. Gallen (HSG) verbinden mittlerweile 54 % der Schweizer Konsumenten US-Marken eher mit „Egoismus“ und „Unberechenbarkeit“ als mit Qualität. „Der Konsument bestraft heute nicht mehr nur den höheren Preis, er bestraft das politische Verhalten“, so die Studienautoren.
Der „Coolness-Faktor“ amerikanischer Marken ist im Jahr 2025 auf einem historischen Tiefstand.
Die Liste der US-Produkte und Dienstleistungen, die im laufenden Jahr massiv an Boden verloren haben, zeigt deutlich, dass die Abkehr quer durch alle Branchen geht:
Automobilindustrie (Tesla & Ford): Besonders Tesla spürt den Unmut. Die enge Verknüpfung der Marke mit der erratischen US-Politik führte zu einem massiven Image-GAU. Der Neuwagenverkauf von Tesla ging in der Schweiz innert einem Jahr je nach Wagentyp zwischen 40-65 Prozent zurück. Das gab es noch nie. Nur dank Dumping-Preisen konnte Tesla den freien Fall einigermassen auffangen. Teslas wurden auch im Occasionsmarkt zu einer Hypothek. Denn einmal teuer gekaufte Tesla mussten massiv unter Wert ausgeschrieben werden, um mit viel Glück überhaupt noch Käufer zu finden. Entsprechend gingen die Inserate bei autoscout24 von 3100 im Jahr 2024 auf unter 2500 im Jahr 2025 zurück. Auch bei Ford stehen alle Zeichen auf Krise. In der Schweiz verzeichneten Ford-Personenwagen im ersten Halbjahr 2025 einen Rückgang der Neuzulassungen um schätzungsweise 15 % bis 18 %. Ford musste aufgrund der gestiegenen Kosten für US-Bauteile und die allgemeine Zollbelastung (die den Konzern global rund 1,5 bis 2 Milliarden Dollar kostet) die Preise in Europa anheben, was die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber europäischen und asiatischen Marken weiter schwächte. Ein Beispiel dafür, wie Trumps Zollpolitik seine eigene Wirtschaft schwächt.
Lifestyle & Mode (Nike, Levi’s): Die Verkaufszahlen für ikonische US-Bekleidungsmarken sind in Schweizer Grossstädten um rund 15 % eingebrochen. Junge Käufergruppen bevorzugen zunehmend europäische Marken wie On oder Adidas, die als „näher“ und „fairer im Umgang“ wahrgenommen werden. Besonders Adidas erlebt in der boomenden Laufszene derzeit einen regelrechten Hype.
Streaming & Digitale Dienste (Disney+, Netflix): Erstmals verzeichnen US-Streaming-Giganten in der Schweiz stagnierende Abo-Zahlen. Viele Nutzer wandern zu lokalen Angeboten wie Play Suisse ab – auch als stiller Protest gegen die politische Überheblichkeit Washingtons. Dummerweise hat Netflix auch in diesem Jahr die Preise für Abonnements von Schweizern erhöht. Wahrscheinlich steht Netflix bei Schweizerinnen und Schweizern jetzt auf der Kippe. Die Bereitschaft für weitere Preiserhöhungen ist nicht mehr da. Und bei der geringsten zusätzlichen politischen Verschärfung im Verhältnis zwischen USA und der Schweiz werden die Abozahlen von Schweizerinnen und Schweizern sinken. Dies auch, weil die europäischen Streaming-Alternativen immer besser werden.
Getränke & Gastronomie (Coca-Cola & Starbucks): In Schweizer Cafés gewinnt der „Lokalpatriotismus“ an Boden. Regionale Alternativen wie Vivi Kola melden Rekordumsätze, während US-Ketten erstmals seit Jahren Marktanteile an lokale Konzepte verlieren. Starbucks musste jüngst sogar Filialen in der Schweiz schliessen. Coca-Cola schmeissen sie einem in den Läden zu Aktionspreisen nach.
USA-Reisen: Die Reiselust der Schweizer in Richtung Westen ist 2025 spürbar abgekühlt. Laut Daten des Schweizer Reise-Verbands (SRV) und der US-Tourismusbehörde NTTO kam es zu einem Gesamtrückgang: Für das Jahr 2025 wird mit einem Minus von etwa 10 Prozent gerechnet. Das entspricht einem Rückgang von ca. 380'000 Reisenden im Vorjahr auf nur noch 340'000. Vor allem junge Schweizerinnen und Schweizer meiden die USA. Anbieter von Sprachaufenthalten meldeten für das Jahr 2025 Einbrüche zwischen 36 und 38 Prozent. Viele junge Schweizer wählten stattdessen Kanada, England oder Australien als Alternative. Eigentlich müsste die USA als Reiseziel boomen, denn die Flugpreise nach Zielen in den USA wären historisch günstig. Doch auch damit lassen sich die Schweizerinnen und Schweizer nicht mehr ködern. In der Branche geht man davon aus, dass demnächst Flüge zwischen der Schweiz und den USA gestrichen werden, weil die Flugzeuge halbleer unterwegs sind.
Das Ende der „Soft Power“
Experten sprechen vom schleichenden Tod der amerikanischen „Soft Power“. Die "Soft Power" ist der allgemeine Einfluss der USA in Europa auf wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Ebene. Bisher haben US-Regierungen gewisse Handelsbilanzdefizite als Preis für den Einfluss der USA in Europa gesehen. Präsident Trump aber zerstört alles, nur um Handelsbilanzdefizite zu bereinigen. Wenn die USA ihre Alliierten wie Bittsteller oder gar Gegner behandeln, verliert das „Label USA“ seinen Glanz. In Europa hat sich mit Netzwerken wie „Buy from EU“ eine Bewegung formiert, die den Verzicht auf US-Produkte als demokratisches Statement feiert.
Fazit: Die Schweiz besinnt sich auf sich selbst und auf Europa
Der Bundesrat mag durch zähe Verhandlungen die Zölle von 39 % auf 15 % gedrückt haben, doch das sind nationale Interessen. Das Vertrauen der Bevölkerung hingegen lässt sich nicht so einfach reparieren. Die Schweizer Wirtschaft und die Konsumenten haben 2025 gelernt, dass Diversifikation die einzige Antwort auf Unberechenbarkeit und Abhängigkeit ist. Der Griff zum europäischen Produkt ist heute für viele auch ein Statement für eine Partnerschaft auf Augenhöhe – eine Partnerschaft, welche die USA gegenüber ihren treuesten Verbündeten derzeit schmerzlich vermissen lassen.
In diesem Umfeld geht man in der Schweiz selbstredend davon aus, dass US-Präsident Trump im Januar nicht ans WEF in Davos eingeladen wurde. Alles andere wäre eine grosse Enttäuschung. Und wenn er sich selber einlädt, sollen die USA die Sicherheitskosten für ungebetene Gäste im Voraus bezahlen und nicht der Schweizer Steuerzahler. Dafür haben sicher auch die USA Verständnis, denn sie verlangen von der Schweiz ja auch, dass sie für das Handelsbilanzdefizit aufkommen muss.




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