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Berufliche Vorsorge: Finanzielle Lage per Ende Juni 2022

Die finanzielle Lage der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen hat sich in der ersten Jahreshälfte 2022 signifikant verschlechtert. Dies zeigen die Hochrechnungen der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV). Der Inflationsdruck, die damit verbundenen Zinsanstiege sowie geopolitische Unsicherheiten sorgten für Einbrüche in fast allen Anlagekategorien. Waren die Vorsorgeeinrichtungen per Ende 2021 mit einem durchschnittlichen Deckungsgrad von 118,5 % finanziell noch sehr gut aufgestellt, sank dieser Wert per 30.06.2022 auf 103,4 %.


OAK BV

Grafik: OAK BV


Anhand ihrer monatlichen Monitorings schätzt die OAK BV zeitnah die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz. Basierend auf der jährlichen Umfrage zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen werden monatliche Hochrechnungen erstellt, die auf den individuellen Anlagestrategien der Vorsorgeeinrichtungen sowie der effektiven Entwicklung der Anlagemärkte fussen. Insgesamt flossen die Daten von 1 324 Vorsorgeeinrichtungen mit einer Bilanzsumme von rund 831 Milliarden Franken in die Hochrechnung per Ende Juni 2022 ein. Das Monitoring beschränkt sich auf Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung.


Durchschnittliche Deckungssituation sinkt markant

Inflationsdruck, Zinsanstieg, gestörte Lieferketten, Energiekrise, Ukraine-Krieg sowie die COVID-19-Pandemie in China – die erste Jahreshälfte war von einschneidenden globalwirtschaftlichen Veränderungen geprägt. Diese hatten starke Marktkorrekturen zur Folge, was sich negativ auf die finanzielle Lage der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen auswirkte. Die durchschnittliche kapitalgewichtete Deckungssituation sank gemäss Hochrechnungen markant von 118,5 % per Ende 2021 auf 103,4 % per 30. Juni 2022, wobei die Hochrechnung diese Verschlechterung in der Tendenz eher überschätzt, da der deutliche Zinsanstieg nicht in der Bewertung der Verpflichtungen reflektiert wird.


285 Vorsorgeeinrichtungen befinden sich aktuell rechnerisch in Unterdeckung (gegenüber 13 per Ende 2021). Bei diesen Einrichtungen wären die Vorsorgeverpflichtungen aktuell nicht zu 100 % gedeckt. Kapitalgewichtet entspricht diese Unterdeckung einem Wert von 39,9 % der Vorsorgeeinrichtungen (gegenüber 0,1 % per Ende 31.12.2021).


Negative Renditen in fast allen Anlagekategorien

Nach einer sehr hohen durchschnittlichen Netto-Vermögensrendite von 8,0 % fürs Jahr 2021 zeigen sich in fast allen Anlagekategorien seit Jahresbeginn negative Renditen. Die durchschnittliche Rendite im ersten Halbjahr 2022 beträgt –12,3 %. Dies zeigt auf, wie rasch und einschneidend sich Kurseinbrüche zumindest kurzfristig auf die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen auswirken können.


Die stärksten Einbrüche im ersten Halbjahr 2022 zeigen sich in den Anlagekategorien Aktien (–17,4 %), Obligationen (–10,1 %), Immobilien (–9,5 %) und alternative Anlagen (–15,4 %). Demgegenüber konnten die Anlagekategorien Liquidität (–0,4 %) und Infrastruktur (+1,2 %) ihr Niveau in etwa halten.

Schrumpfende Reserven in der Krise

Das Anlegen von Vorsorgegeldern auf den Kapitalmärkten ist naturgemäss mit Risiken verbunden. Damit Vorsorgeeinrichtungen Schwankungen tragen können, sind sie gesetzlich verpflichtet, Wertschwankungsreserven zu bilden. Per Ende 2021 lag die durchschnittliche Zielgrösse der Wertschwankungsreserven bei 17,9 % der Vorsorgekapitalien. Um ihre Verpflichtungen weiterhin zu garantieren, mussten viele Vorsorgeeinrichtungen in der ersten Jahreshälfte diese Reserven anzapfen. Kapitalgewichtet verfügt nur noch jede dritte Vorsorgeeinrichtung (32,9 %) über mehr als einen Drittel ihrer Wertschwankungsreserven.


Vorsorgeeinrichtungen legen langfristig an

Vorsorgeeinrichtungen sind langfristige Investoren und tendieren nicht zu kurzfristigen Änderungen ihrer Anlagestrategie. Entsprechend nehmen Vorsorgeeinrichtungen nötigenfalls auch periodische Unterdeckungen in Kauf. Dies ist vom Gesetz so vorgesehen und die Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008 bestätigen die Richtigkeit dieses Vorgehens. Angesichts der aktuellen Herausforderungen auf den Kapitalmärkten ist es besonders wertvoll, dass die Vorsorgeeinrichtungen im Durchschnitt mit genügend Wertschwankungsreserven, d.h. mit einem hohen Deckungsgrad in dieses Jahr starten konnten. Damit sind viele Vorsorgeeinrichtungen in der Lage, Verwerfungen auf den Kapitalmärkten ganz oder zumindest teilweise abzufedern. Die künftigen Entwicklungen der Finanzmärkte sind jedoch schwer abzuschätzen.


Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV)

Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV ist eine unabhängige Behördenkommission. Sie wird vollständig über Abgaben und Gebühren finanziert. Für die Direktaufsicht der Vorsorgeeinrichtungen sind die insgesamt acht regionalen Aufsichtsbehörden am Sitz der jeweiligen Einrichtung zuständig. Deren Oberaufsicht durch die OAK BV erfolgt unabhängig von Weisungen des Parlamentes und des Bundesrates. Direkt von der OAK BV beaufsichtigt werden hingegen die Anlagestiftungen sowie der Sicherheitsfonds und die Auffangeinrichtung. Zudem ist die OAK BV Zulassungsbehörde für die Experten für berufliche Vorsorge.


Mit Blick auf das Ziel, die finanziellen Interessen der Versicherten verantwortungsbewusst und zukunftsgerichtet zu schützen, operiert die OAK BV auf der Basis einer einheitlichen und risikoorientierten Aufsicht. Mit ihren in einen volkswirtschaftlichen und langfristig ausgerichteten Kontext eingebetteten Massnahmen und Entscheiden will die Behörde zu einer konsequenten Verbesserung der Systemsicherheit sowie zu Rechtssicherheit und Qualitätssicherung beitragen.

Für den Schutz der Vorsorgegelder der Versicherten ist im Gesetz die risikoorientierte Führung der Vorsorgeeinrichtungen verankert. Entsprechend ist die Aufsichtstätigkeit auszurichten. Das Gesetz stellt hier der OAK BV das Instrument der Weisung zur Verfügung. So kann die OAK BV Weisungen für die Tätigkeit der Experten für berufliche Vorsorge, der Revisionsstellen sowie für die Aufsichtsbehörden erlassen.

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