Dr. Gut: «Ausverkauf der Meinungsfreiheit »
22.11.2020 - Der Staat übernimmt die Vertriebskosten der grossen Medienhäuser. Das ist erst der Anfang einer Abhängigkeitsspirale. Auf dem Spiel stehen Meinungsfreiheit und Medienvielfalt.
Kolumne
Der Bundesrat verlängert die «Soforthilfe» an die Medien bis im Juni nächsten Jahres. Er zahlt ihnen nochmal 20 Millionen Franken, nachdem er schon im Frühjahr 57,5 Millionen gesprochen hatte. Damit können die Verlage ihre Zeitung gratis per Post verteilen lassen – auf Kosten der Steuerzahler.
Haben Sie von dieser Nachricht in einer grösseren Tageszeitung gelesen? Vermutlich nicht. Denn die Profiteure hängen das nicht an die grosse Glocke. Sie wissen genau, dass diese Sonderbehandlung schwer zu erklären wäre. Welche Branche kann sonst ihre Vertriebsosten dem Staat abwälzen?
Hat hier jemand «Kurzarbeit» gesagt? Die Subventionsspritze an die Grossverlage steht auch aus weiteren Gründen schief in der Landschaft. Selten hatten die Medien so viel zu berichten wie in Zeiten von Corona, US-Wahlen und Rekord-Abstimmungskämpfen in der Schweiz. Hinter vorgehaltener Hand erzählen Journalisten verschiedener Zeitungen, dass sie zwar zur Kurzarbeit angemeldet sind, aber keinen Strich weniger schuften als sonst.
Dividenden mit Steuergeld aufpolieren Und die Millionen an die Verleger sind erst der Anfang. Bundesrat und Parlament wollen noch viel höhere, permanente Subventionen in die Medienhäuser pumpen. Geht es nach ihren Plänen, sollen die privaten Verlage im Zeitraum von 10 Jahren inklusive Mehrwertsteuer-Verbilligung 4 Milliarden Franken kassieren.
Das ist wirtschaftlich unnötig, da vor allem die Grossen profitieren – und die haben in den letzten Jahren fette Gewinne erwirtschaftet und Dividenden im dreistelligen Millionenbereich ausbezahlt. Wollen wir den Profit der Aktionäre mit Steuergeld aufpolieren? Nein, ganz bestimmt nicht.
Ohne freie Medien funktioniert Demokratie nicht Noch schlimmer wären die Folgen für die Demokratie. Niemand wird bestreiten, dass Medien, die der Staat bezahlt, nicht mehr frei und unabhängig sind. Doch diese Verbandelung ist fatal. Wie sollen die Medien ihre Wächterfunktion gegenüber Politik und Verwaltung ausüben, wenn sie finanziell und ideell an die Kette gelegt sind?
Meinungsfreiheit und Medienvielfalt bedingen sich gegenseitig. Ohne sie funktioniert unsere direkte Demokratie nicht. Sie darf nicht verkauft werden, auch nicht für Milliarden.
Dr. Philipp Gut ist Historiker, Bestsellerautor («Jahrhundertzeuge Ben Ferencz») und einer der profiliertesten Journalisten der Schweiz. Mit seiner Kommunikationsagentur Gut Communications GmbH berät er Unternehmen, Organisationen und Persönlichkeiten. www.gut-communications.ch
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