Aarau: Neujahrsansprache von Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker
Wir publizieren an dieser Stelle die Neujahrsansprache des Aarauer Stadtpräsidenten Hanspeter Hilfiker in einer leicht gekürzten Fassung.
Dr. Hanspeter Hilfiker, Stadtpräsident, Aarau
Dr. Hanspeter Hilfiker, Stadtpräsident, Aarau (Bild: hanspeter-hilfiker.ch)
Es freut mich, dass ich Sie heute Abend hier im KuK – auch im Namen des Aarauer Stadtrats – zum traditionellen Aarauer Neujahrsanlass begrüssen darf. Zuallererst wünsche ich Ihnen allen herzlich alles Gute, viel Glück und beste Gesundheit im neuen Jahr 2024.
Das Jahr 2023 war für uns als Stadt vielseitig und abwechslungsreich, zuweilen aber auch etwas unruhig. Schön ist, dass wir viele Eröffnungen, Spatenstiche und Veranstaltungen feiern durften: etwa die neue Kettenbrücke, deren Fertigstellung sich etwas hingezogen hat, das Warten hat sich aber gelohnt; im September durften wir die Jahresversammlung des Schweizerischen Städteverbandes, den Städtetag, hier in Aarau beherbergen; Ende Jahr dann hat der Spatenstich zur Erweiterung der Hirslanden Klinik bestätigt, dass die lokalen Gesundheitsinfrastrukturen umfassend erneuert werden; und schliesslich wurde am 8. Dezember der Bahnhof Süd eröffnet, der eine gut 30-jährige Umgestaltung des Bahnhofareals markant abschliesst. Ein eindrückliches Jahr.
Wichtig bleibt für uns in der Politik die Aufnahme der Geschäfte von Stadtrat und Einwohnerrat in der Bevölkerung. Es freut mich deshalb, dass auch 2023 die städtischen Abstimmungsvorlagen mit grosser Mehrheit angenommen wurden, vom Budget über die Baukredite für die Tagesschule bis hin zu wichtigen Anpassungen der Gemeindeordnung. Für mich sind das wichtige Gradmesser der Volksnähe unserer Politik.
Trotz aller positiven Entwicklungen war das Jahr 2023 auch unruhig. Es mag am Nachholbedarf nach Corona liegen oder an den unsicheren globalen Perspektiven, mit Kriegen, KI, Inflations-, Zins- und Klimarisiken. Auf jeden Fall sind aktuell viele Rückmeldungen, die wir erhalten, ungeduldiger, emotionaler, dünnhäutiger als auch schon; gerade wenn es um Veränderungen geht. Und tatsächlich ist es die Aufgabe der Politik, relevante Veränderungen aufzunehmen und in möglichst sinnvollen Prozessen für unsere Stadt zu optimalen Lösungen zu führen. Wir tun dies, indem wir Strukturen entwickeln, Prozesse anpassen und so, idealerweise, auch auf die Bevölkerungswünsche eingehen.
Welche Veränderungen stehen im Vordergrund?
Vielleicht am deutlichsten sind die räumlichen Veränderungen, die wir in Aarau erleben. Ich habe vom Bahnhof Süd gesprochen: Wer von Ihnen erinnert sich noch, wie das Areal um Hintere Bahnhofstrasse, Bankrain und Bleichemattstrasse um 1990 ausgesehen hat? Unglaubliche Entwicklungen, die mit städtischen Planungen ab Ende der 80er Jahre angestossen wurden und heute umgesetzt sind. Aktuell befinden sich dort hunderte von neuen Wohnungen, von neuen, attraktiven Arbeitsplätzen und deutlich attraktivere Freiräume als vorher.
Neben dem Bahnhofareal hat das Aeschbachareal eine ähnliche Transformation durchlaufen, weitere sind aktuell in Planung, in der Telli Ost, im Torfeld Nord, im Kasernenareal. Es sind für unsere städtische Zukunft die weitreichendsten und wichtigsten Entwicklungsschritte – nehmen Sie daran teil und bringen Sie sich ein.
Veränderungen gibt es aber auch bei vielen gewohnten Abläufen. Wir kennen die Digitalisierungsschritte im Alltag, bei Bankgeschäften, beim Einkauf in der Migros, aber auch mit unserer neuen Werkhof-App oder dem ab heute offiziell eingeführten E-Baubewilligungs-Prozess; in vielen Bereichen bringen diese Veränderungen Erleichterungen. Nicht alle freuen sich darüber, der Prozess wird aber weitergehen.
Am herausforderndsten ist für die Politik das Eingehen auf die Wünsche der Bevölkerung. Denn diese Wünsche sind besonders vielfältig und nicht homogen. Der Wunsch mitten in der Stadt zu leben, umgeben von attraktiven Angeboten, und gleichzeitig die Vorteile eines ruhigen, ungestörten Heims zu geniessen, da geht nicht alles zusammen. Sei es bei der Planung und Realisierung von Sport- oder Kulturanlagen, etwa im Winkel in Aarau Rohr oder beim KiFF in der Telli, aber auch bei Veranstaltungen, sei es bei Musik in der Altstadt (MidA) oder beim Weihnachtsmarkt: Besuchsfrequenzen, Lärm und Licht sind von Anwohnenden immer weniger toleriert. Die Folgen sind Einsprachen, Beschwerden, Verzögerungen.
Wie gehen wir mit diesen Situationen um?
2023 haben wir in Aarau mit zwei für uns neueren Instrumenten Erfahrungen sammeln können:
Erstens mit Testbetrieben. Zum Beispiel bei der Markthalle oder, gemeinsam mit dem Kanton, an der Bahnhofstrasse. Testbetriebe haben das Ziel, eine bessere als die aktuelle Situation zu erreichen, für alle Beteiligten. Mit unseren Tests sind wir noch nicht am Ziel, deshalb testen wir verschiedene Varianten. Das Rad einfach zurückzudrehen ist aber nirgends die Lösung. Ich lade deshalb alle Beteiligten ein, konstruktiv mitzudiskutieren und bisherige Situationen nicht einfach nostalgisch zu verklären.
Zweitens haben wir 2023 mehr partizipative Ansätze gewagt. Im Prozess zur Strategie 2034, die wir im Dezember publizieren konnten und die uns bis Mitte der 30er Jahre begleiten wird, haben wir, neben den politischen Vertretungen, bewusst 26 Personen aus der Bevölkerung an die Veranstaltungen eingeladen. Die Rückmeldungen waren sehr positiv.
Auch das Projekt "Stadtidee", in dem wir zur Einreichung von Projekten in den Quartieren eingeladen haben, hat auf Partizipation gesetzt. Mehr als 160 Ideen sind eingegangen, aktuell werden – basierend auf einer Abstimmung, an der gegen 2000 Personen teilgenommen hatten – 17 dieser Projekte umgesetzt. Herzlichen Dank allen, die sich hier beteiligt haben.
Testbetriebe und Partizipationen werden wir auch in Zukunft nutzen. Selbstverständlich wollen wir aus den Erfahrungen der Pilotprojekte lernen; nicht überall sind Partizipationen sinnvoll, sie sollen zum Beispiel die demokratisch gewählten Gremien nicht untergraben; und die Prozesse dürfen nicht zu aufwendig sein. Ziel bleiben breit abgestimmte, durchführbare Lösungen.
Ich kann mir aber vorstellen, dass breiter abgestützte Entscheidungen bei Schlüsselthemen zu weniger aufgeregten Diskussionen führen. Wichtig ist auch, dass nicht jedes einmal angedachte Konzept auf ewig so bleiben muss. Eine gewisse Flexiblität – in Planung, Nutzung und Umsetzung – kann kurzfristig Lösungen ermöglichen und uns damit Handlungsfähigkeit sichern.
Ich gehe davon aus, dass mit solchen Ansätzen viele der Themen für 2024 besser lösbar sind. Ich denke an den Maienzug, den wir 2023 wieder einmal bei bestem Wetter durchführen konnten. Die intensiven Diskussionen haben aber gezeigt, dass wir bei den Programmanpassungen zu wenig sensibel und wohl eben auch zu wenig partizipativ vorgegangen sind; ich hoffe, dass wir mit dem nun gewählten Vorgehen wieder auf einem breiter abgestützten Weg sind.
Ich denke an unsere Schulraumplanung, die mit der Tagesschule und diversen Schulbauten wichtige Hürden genommen hat, im Bereich der Oberstufe aber eine zusätzliche Runde benötigt. Neben Stadtrat, Einwohnerrat und Schule hat es aus der Bevölkerung und aus der Ortsbürgergemeinde wichtige Hinweise gegeben, die wir aufnehmen wollen. Unbestritten bleibt, dass wir bis Ende dieses Jahrzehnts – auf allen Schulstufen – mehr Schulraum benötigen.
Ich denke auch an das Thema Sicherheit, das aktuell mit Bezug auf den Bahnhof diskutiert wird. Das Thema ist nicht neu, mit den steigenden Asylzahlen und dem generellen Druck auf die öffentlichen Räume aber akzentuiert. Vielleicht braucht es auch hier – neben dem laufenden Austausch der Sicherheits- und Sozialorgane – eine Abstimmung mit weiteren Bezugsgruppen, den Mieterinnen, den Grundeigentümern, den Nachbarinnen und anderen, im Sinne eines grossen "runden Tischs", wie wir ihn zum Beispiel in der Altstadt seit Jahren pflegen.
Ein Thema, das ebenfalls breite Abstimmungen erfordert, sind die Klimaanpassungen unserer Infrastrukturen. Gerade in letzter Zeit hat sich hier schön gezeigt, wie öffentliche und private Aktivitäten parallel laufen können: Noch nie hatten wir in Aarau derart viele Gesuche für Dachsanierungen oder Heizungsersatz wie 2023; parallel dazu werden das städtische Fernwärmenetz ausgebaut und unsere städtischen Gebäude und Fuhrparks erneuert. Vielen Dank allen, die mit ihren Aktivitäten das Erreichen der Klimaziele mit unterstützen.
Ich komme noch auf zwei Themen zu sprechen, die mich für 2024 besonders positiv stimmen und die mir entsprechend am Herzen liegen:
Im Frühjahr 2023 ist die Gemeinde Unterentfelden auf uns zugekommen, mit der Absicht, mittelfristig eine Fusion mit Aarau anzustreben. Gemeinde- und Stadtrat haben sich schnell und einhellig auf Projektorganisation und einen Zeitplan geeinigt. Bereits im Frühling beginnen wir mit den Arbeiten, die natürlich verschiedene Partizipationselemente enthalten. Und wer weiss, vielleicht können wir heute in vier Jahren eine weitere Nachbargemeinde im Kreise unserer Stadt begrüssen.
Ebenfalls erfreulich ist, dass wir 2023 von privater Seite kontaktiert wurden, mit Ideen, wie öffentliche Infrastrukturen privat finanziert erneuert werden können. Es geht um die Sporthalle im Schachen und um weitere Sportflächen in Aarau. Unglaubliche Chancen für uns als Stadt, die wir detailliert abklären müssen, was wir aber gerne tun.
Sie sehen, trotz global unruhiger Zeiten und wirtschaftlich etwas verhalteneren Perspektiven können wir uns auf spannende, grosse und kleinere, für unsere Zukunft aber wichtige Projekte freuen.
Ich wünsche uns allen, dass wir, durchaus mit intensiven Diskussionen, Positionen finden, die zu uns passen und gleichzeitig die Handlungsfähigkeit sicherstellen, die wir als Stadt benötigen, um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein.
In diesem Sinne stosse ich mit Ihnen allen herzlich auf ein gesundes, glückliches und zukunftsträchtiges 2024 an. Es guets Nöis – vielen Dank.
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