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Sitzverluste der SVP im Aargau zeigen, dass viele der Parteibasis die Nase voll haben

Die Aargauer Gemeindewahlen liefen für die SVP nicht gut. Die Volkspartei verlor zahlreiche Sitze und gewann Sitze nicht, die sie eigentlich hätte holen sollen. Die Partei habe auch schon einen Schuldigen für das Debakel gefunden, schreiben die Medien: Andreas Glarner. Doch das Problem liegt tiefer. Die falsche Position der SVP bei der Bekämpfung der Pandemie stösst vor allem ältere Wählerinnen und Wähler vor den Kopf, wie soaktuell.ch schon mehrfach geschrieben hat. Jetzt zeigt sich der ganze Frust bei den kommunalen und kantonalen Wahlen.


Kommentar von Martina Gloor


Die Wählerverluste bei den kommunalen Wahlen Nationalrat Andreas Glarner und seinem Polit-Stil in die Schuhe zu schieben, wäre zu einfach. Schliesslich war Andreas Glarner genauso dabei, als die SVP noch Wahlsiegerin war. Und sein Stil hat sich damals wie heute null verändert. Es müssen also andere Gründe sein, die zu den doch auffälligen Verlusten geführt haben.


Diese Gründe sind eher in einem Thema zu suchen, welches die Schweiz seit bald zwei Jahren bewegt und spaltet, wie kaum ein anderes zuvor. Die Pandemie. Hier hat die SVP am Anfang alles richtig gemacht: Sie war die erste Partei, die sich für das Maskentragen stark gemacht hat. Sie trug die Massnahmen der Regierung mit, kritisierte aber zurecht die lange Zeit offenen Grenzen. Dann kamen die Beizenschliessungen und die Impfungen. Hier erwischte die SVP irgendwie die falsche Kurve.


Fehlgeleitet durch Interessenvertreterinnen, wie beispielsweise Nationalrätin Esther Friedli, weitere Gewerbevertreter und Vertreter der Gastroverbände, bekämpfte die Volkspartei die Schliessung der Beizen. Obwohl mehr als 95 Prozent der SVP-Mitglieder weder Beizer noch Unternehmer sind, machte die Partei einmal mehr Interessenpolitik. Das wäre für viele Parteimitglieder wohl noch verkraftbar gewesen.


Dann aber machte die Partei einen Kapitalfehler: Die früher verlässliche Stimme der Schulmedizin im Parlament machte sich plötzlich aus falsch verstandener Freiheitsliebe zur Stimme der Impfgegner, bestehend aus Verschwörungstheoretikern, Treichlern, Esoterikern, 5G-Gegnern und generell staatskritischen Menschen. Die SVP ist somit gegen Lock-Downs und Beizenschliessungen, macht sich zur politischen Stimme der Impfgegner und bekämpft jetzt sogar noch das Covid-Zertifikat. Dabei wären Impfungen zusammen mit dem Impfzertifikat der Schlüssel zur Freiheit von der Pandemie.


Nicht Ernstfall-tauglich

Eine Pandemie ist ein Angriff gegen unser Land. Und einen Angriff gewinnt man nur mit Geschlossenheit und nicht mit "Jekami" bei Impfungen und Maskenpflicht oder einer Spaltung der Gesellschaft. Die SVP, die sonst am lautesten nach Eigenverantwortung ruft, fordert jetzt sogar, dass die Geimpften im Land den Ungeimpften Covid-Tests bezahlen müssen. Wo bleibt hier die Eigenverantwortung? Und laufend fallen SVP-Funktionäre Gesundheitsdirektorinnen und Gesundheitsdirektoren wie beispielsweise Natalie Rickli (ZH), Jean-Pierre Gallati (AG), Pierre Alain Schnegg (BE), Thomas Weber (BL) oder Urs Martin (TG) in den Rücken, die ihren Job hervorragend machen und versuchen, die Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten und die Ausbreitung der Pandemie zu bremsen. Kurz: Die Partei hat sich in dieser Pandemie in eine ausweglose Situation manövriert.


Langjährige SVP-Mitglieder kennen ihre eigene Partei nicht mehr. Die Schweiz hat den Ernstfall und die SVP gibt sich nicht Ernstfall-tauglich. Das ärgert viele. SVP-Mitglieder, speziell der älteren Generationen (und davon gibt es viele) wissen genau, dass ihnen die Impfung und das Covid-Zertifikat genau die Freiheit zurück gab, welche ihnen die Pandemie genommen hat. Das unwissenschaftliche Verhalten der Partei wird von vielen an der Parteibasis nicht verstanden, ja sogar als dumm und kindisch empfunden. Vor allem in jenen SVP-Familien, die hart von Corona getroffen wurden. Ein riesiger Fehler.


Eigentlich hätte die SVP-Führung am lautesten für Impfungen und das Covid-Zertifikat einstehen müssen, denn damit hätten nicht nur die Parteimitglieder vor der Krankheit geschützt, sondern auch die Schliessungen der Beizen und sonstigen Einschränkungen schneller aufgehoben werden können. Das beste, was der Wirtschaft und dem Gewerbe eigentlich hätte passieren können. Doch mit ihrer impfkritischen Politik und dem Einstehen für Impfverweigerer machte sich die SVP ganz offensichtlich zur wichtigsten Pandemie-Verlängerin des Landes.


Es folgte die vierte Welle, welche die Spitäler wieder gefährlich nahe an die Kapazitätsgrenzen brachte und sehr viele Tote unter 60 Jahren forderte. Alles unnötig, wenn früher geimpft worden wäre.


Ob die Aussagen der Partei stimmen, dass sie viele Neueintritte aus dem Lager der Massnahmengegner verzeichnen könne, ist gut möglich. Aber was für treue Parteimitglieder das sind, bleibt dahin gestellt. Fakt ist, die Sendung "Rundschau" von SRF präsentierte einen ganzen Stapel Austrittsschreiben von langjährigen Parteimitgliedern, welche die Haltung der Partei bei der Bekämpfung der Pandemie nicht mehr mittragen können.


Fakten schaffen werden jedoch die nächsten kommunalen, kantonalen und nationalen Wahlen in der Schweiz. Einen kleinen Denkzettel hat die SVP mit den kommunalen Wahlen im Aargau, traditionell eine SVP-Hochburg, schon erhalten. Wenn das so weitergeht, könnte die Volkspartei politisch die grosse Verliererin dieser Pandemie werden: Selbstverschuldet, wegen einigen lauten Funktionären, denen kurzfristige Effekthascherei und das Einstehen für ein paar Gruppierungen wichtiger war, als die Gesamtinteressen der Schweiz.

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