Jetzt ist klar: Jede gegen jeden im zweiten Wahlgang
Die drei bisherigen Regierungsmitglieder und alle Kandidierenden aus dem ersten Wahlgang treten auch im zweiten Wahlgang der Regierungsratswahl wieder an. Das gab es noch nie im Kanton Solothurn. Das Motto lautet nun: "Jede gegen jeden". Viele meinen, es sei eine unkalkulierbare Ausgangslage. Doch für alte Politfüchse und Kenner der politischen Landschaft im Kanton Solothurn ist der Ausgang dieser Wahl, bis auf einen Sitz, schon fast sicher.

"Es esch immer e so gsy." Nichts ist in der politischen Landschaft des Kantons Solothurn so sicher, wie bestimmte "Mechanismen".
Stellen wir uns den Wahlzettel des zweiten Wahlgangs vor. Fünf leere Zeilen. Jeder Name darf nur einmal aufgeführt werden, bis die fünf Zeilen voll sind. Und das Wichtigste: Argumentiert niemals mit Stimmenzahlen aus dem ersten Wahlgang. Im zweiten Wahlgang ist für jede antretende Person der Ausgang wieder völlig offen. Vom ersten Wahlgang irgend etwas abzuleiten wäre falsch.
Wahlbeteiligung
Der erste Mechanismus, der im Kanton Solothurn immer funktioniert: Im zweiten Wahlgang ist die Wahlbeteiligung fast ausnahmslos tiefer, als im ersten Wahlgang. Oder anders formuliert: Es gehen fast nur noch jene Leute an die Wahlurnen, die parteipolitisch gebunden oder klar positioniert sind. Diese wählen zu einem grossen Teil taktisch.
Bisherige werden wieder gewählt
Der zweite Mechanismus, auf den man sich verlassen kann, ist, dass Bisherige üblicherweise im zweiten Wahlgang gewählt werden. "Man frisst zuerst, was man kennt", sagt ein Sprichwort. Unsere Prognose: Sandra Kolly, Susanne Schaffner und Peter Hodel werden im zweiten Wahlgang gewählt. Bleiben noch zwei freie Sitze.
Viele wählen taktisch
Der dritte Mechanismus: Im zweiten Wahlgang wählen die parteitreuen Stimmenden nur noch ihre Kandidierenden. Da stehen ein, allenfalls zwei Namen auf den Wahlzetteln. Basta. Das nützt den eigenen Kandidierenden nämlich am meisten. Doch weil immer weniger Menschen parteitreu sind und weil die gut erzogenen Schweizerinnen und Schweizer dazu neigen, Linien auf Formularen vollständig auszufüllen, vergeben viele ihre Stimmen an Kandidierende verschiedener Parteien, die dem eigenen Gedankengut noch am nächsten kommen. Die Mitte-Partei profitiert, weil sie Stimmen von links und rechts holen kann, erfahrungsgemäss am meisten davon. Auf der anderen Seite vergibt die Mitte traditionell am wenigsten Stimmen an Kandidierende anderer Parteien. Das führt zu unserer Prognose: Auch Edgar Kupper dürfte gewählt werden. Bleibt noch ein freier Sitz.
Und einige wählen parteipolitisch
Zum Schluss kommen die parteipolitischen Mechanismen im Kanton Solothurn. So etwa die fast schon reflexartige Ablehnung gegenüber der SVP, wenn es um die "Wurst" geht. Soll die SVP-Kandidatin Sibylle Jeker die Wahl schaffen, bräuchte sie Stimmen von anderen Parteien. Mit den Stimmen von nur der SVP dürfte es kaum reichen. Denn, auch von der SVP werden im zweiten Wahlgang viele nicht mehr an die Urne gehen. Da Sibylle Jeker die Stimmen bei den Grünen oder Sozialdemokraten nur schwer holen wird, müssten Freisinnige und Mitte-Wählende auch ihren Namen auf die Listen schreiben. Davon sprechen und es dann auch wirklich tun, sind zwei paar Schuhe. Die Vergangenheit hat mehrfach gezeigt, dass Freisinnige und Mitte-Wählende im zweiten Wahlgang so ziemlich alles wählen, bloss nicht die SVP. Kommt hinzu, dass Sibylle Jeker die grösste Konkurrentin für den Mitte-Mann Kupper, den Sozialdemokraten Stricker sowie den Freisinnigen Lupi ist. Sibylle Jeker kann es also nur schaffen, wenn es ihr gelingt, die eigene SVP-Wählerschaft extrem gut zu mobilisieren und wenn die Grünen SP-Mann Stricker zu wenig unterstützen.
Wahrscheinlich ist es die Ironie dieser Geschichte, dass ausgerechnet die Grünen mit ihrem Wahlverhalten am meisten für oder gegen einen SVP-Sitz in der Regierung beitragen können. Wie gut die parteipolitische Stimmung zwischen den Sozialdemokraten und den Grünen in Wahrheit ist, wissen wir nicht. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass diese auch schon besser war. Tatsache bleibt aber, dass wenn sozialdemokratische und grüne Wählende neben den Namen ihrer eigenen Kandidierenden noch die Kandidaten der jeweils anderen Partei auf ihre Wahlzettel schreiben, sie zusammen mehr Stimmenkraft aufbringen können, als die SVP.
Die Chancen für Marco Lupi von der FDP und Daniel Urech von den Grünen sind im zweiten Wahlgang eher düster. Es gibt zwar Konstellationen, in denen es ihnen reichen könnte, aber die sind eher unwahrscheinlich.
Grün ist als politisches Thema in der momentanen Weltlage zu einem Nebenschauplatz geworden. Die Wahl der Grünen Brigit Wyss entsprang einem ganz anderen Zeitgeist. Damals spielte auch die Bekanntheit, die Persönlichkeit und Herkunft von Brigit Wyss eine gewichtige Rolle. Diese Konstellation ist auch im zweiten Wahlgang nicht erkennbar.
Marco Lupi wird ausserhalb der Solothurner Stadtmauern auffällig schlecht gewählt. Zudem haben die Freisinnigen ganz offensichtlich ein veritables Mobilisierungsproblem. Es ist nicht davon auszugehen, dass viele Wählende der SVP oder der Mitte neben den eigenen Kandidierenden auch den Namen Marco Lupi auf ihre Wahlzettel schreiben. Denn Lupi ist schliesslich einer der grössten Konkurrenten von Sibylle Jeker oder von Edgar Kupper. Prognose: Das wahrscheinlichste Szenario ist deshalb, dass Mathias Stricker von der SP gewählt wird, oder Sibylle Jeker von der SVP, wenn grüne und Sozialdemokraten schlecht mobilisieren, respektive nicht zusammenarbeiten. Mit einem leichten Vorteil für Stricker.
Prognose
Zusammenfassend kommen wir von soaktuell.ch zur Prognose, dass
Sandra Kolly (die Mitte), Susanne Schaffner (SP), Peter Hodel (FDP), Edgar Kupper (die Mitte) und Mathias Stricker (SP) im zweiten Wahlgang gewählt werden dürften. Dabei ist die Reihenfolge absolut nicht zu prognostizieren. Bei dieser Prognose handelt es sich nicht um eine Wahlempfehlung, sondern um den Versuch quasi einer "Wettervorhersage", auf Basis jahrelanger politischer Beobachtungen im Kanton Solothurn. Wenn es im zweiten Wahlgang anders herauskommt, ist das auch gut. Es geht schliesslich nicht für oder gegen Persönlichkeiten, sondern um eine realistische Einschätzung der Chancen unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren. Dabei spielt es nicht so eine grosse Rolle, wer nun bis zu den Wahlen mit wem noch ein "Päckli" macht.
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