Einkaufstourismus: Freigrenze halbieren? Der Schuss wird nach hinten losgehen.
Bundesrätin Keller-Sutter und ihr Departement arbeiten offenbar daran, die Freigrenze für Einkäufe im Ausland von 300 Franken pro Person auf 150 Franken zu halbieren. Dies berichtet der Tages-Anzeiger. In den Kommentaren in Social Media kommt die Idee mehrheitlich schlecht an.

Das Rhein-Center in Weil am Rhein. Im Hintergrund sichtbar der Grenzübergang zur Schweiz. Bild: soaktuell.ch
Die Schweizerinnen und Schweizer kaufen nicht im Ausland ein, weil sie die Mehrwertsteuer sparen wollen, sondern weil es günstiger ist. Die Mehrwertsteuer ist nicht der Motivator. Viele Produkte sind ennet der Grenze zwischen 30-65 Prozent günstiger, vor allem Schuhe, Kleider, Toilettenartikel, Drogerieartikel, Haushaltsgeräte und viele Lebensmittel. Mit Einkäufen, die man sowieso tätigen muss, Geld sparen, ist die Motivation. Die Massnahme mit der Senkung der Freigrenze ist somit völlig für die Katz. Zudem gibt es offensichtliche Umgehungsmöglichkeiten, die allesamt völlig legal, aber ökologisch völlig unsinnig sind. Sie werden in Social Media wie wild diskutiert.
Bei 150 Franken Freigrenze nehmen die Einkaufstouristen einfach ein Kind oder eine Person mehr mit zum Einkaufen nach Deutschland. Und schon erhöht sich die Freigrenze wieder auf 300 Franken. Oder sie fahren häufiger über die Grenze. Die Umwelt sagt Dankeschön. Deutsche Händler überlegen sich auch schon, die Preise der Produkte einfach um den Schweizer Mehrwertsteuersatz zu senken. Damit wäre die Halbierung der Freigrenze auch schon wieder egalisiert.
Schliessfächer auf Schweizer Seite für Zwischenlagerung der Einkäufe
Ebenfalls heiss diskutiert werden für den Fall der Fälle so genannte Schliessfächer auf der Schweizer Seite, die Einkaufstouristen mieten können. Eine bestechende Idee: Sie fahren über die Grenze nach Deutschland, kaufen für 150 Franken ein, fahren zurück über die Grenze und deponieren die bereits getätigten Einkäufe im Schliessfach auf der Schweizer Seite der Grenze. Dann fahren sie zurück über die Grenze nach Deutschland und holen sich die weiteren Einkäufe im Wert von wiederum 150 Franken pro Person. Auf dem Heimweg nimmt man die in der Schweiz im Schliessfach zwischengelagerten Einkaufstaschen mit und man hat elegant die Mehrwertsteuer für die gesamten Einkäufe eingespart - völlig legal. Sie finden das "Bireweich"?
Richtig. Aber die kreativen Ideen zeigen, wie dämlich die seit Jahren anhaltende Diskussion um die Freigrenze ist. Diese wurde geschaffen, um den kleinen Grenzverkehr so unbürokratisch wie möglich abzuwickeln. Eine Halbierung der Freigrenze würden den bürokratischen Aufwand, zusätzliche Fahrten über die Grenze und den Kontrollaufwand massiv erhöhen, ohne dämpfende Wirkung auf den Einkaufstourismus. Denn die grenznahen Einkaufsmöglichkeiten sind für sehr viele Schweizerinnen und Schweizer in gleicher oder kürzerer Zeit erreichbar, als die Schweizer Einkaufszentren. Und auf der deutschen Seite spart man schon beim Parkieren. Denn die Kundenparkplätze sind fast immer gratis.
Nicht die Freigrenze ist das Problem, sondern die Abzockerei bei den Schweizer Preisen
Mit oder ohne Freigrenze ist Einkaufen im Ausland immer noch viel günstiger für Schweizerinnen und Schweizer, als hier im Inland. Frau Bundesrätin Keller-Sutter sollte anstatt der Freigrenze lieber den Preis für 450 Gramm Lätta-Margarine halbieren, dann müsste man nämlich nicht mehr nach Deutschland fahren um sie zum halben Preis zu kaufen. Mit dem Argument der Lohnunterschiede lassen sich die meisten Preisunterschiede nicht mehr erklären.
Höhere Krankenkassenprämien, Strompreise, Mieten, Hypozinsen, Autoversicherungen und Lebensmittelpreise - viele Schweizer Familien können sich ihren Lebensstandard nach dem Horror-Jahr 2023 nur noch halten, indem sie in Deutschland einkaufen gehen. Das versucht Bundesrätin Keller-Sutter ihnen nun zu vermiesen. Aber der Schuss wird nach hinten losgehen.